Ungelesener Beitrag
von robbie-tobbie
Wenn ich als bisher stiller Mitleser auch mal meinen Senf dazu geben darf... Allerdings möchte ich auf Grund der bisher teilweise etwas heftigen Diskussion ausdrücklich feststellen, dass ich niemanden beleidigen, persönlich angreifen oder sonstwie aufregen will! Ich möchte lediglich mit meinen Erinnerungen zum Thema beitragen, die naturgemäß ganz sicher nicht objektiv sind.
Kurz zu meiner Person: ich bin 1970 in Deutschland geboren, habe nie in Slowenien gelebt sondern immer nur meine "Ferien" dort verbracht. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass ich eigentlich Zeit meiner Kindheit / Jugend nie Urlaub im klassischen Sinne gemacht hatte, sondern immer nur meinen Eltern geholfen habe, an unserem Haus weiterzubauen - welches übrigens immer noch, bis auf ein paar Urlaubstage im Jahr, leer steht, aber dieses "Schicksal" kennen sicherlich einige hier.
Tito selber habe ich natürlich nie kennen gelernt, allerdings war der Kollege schon omnipräsent - in Deutschland hatte ich zusätzlich Slowenischen Unterricht, und dort habe ich das ganze Programm ungefragt mitgemacht - vom Ciciban über die Weihe zum Partisan und die ganzen Festivitäten zu Jugoslawischen Feiertagen. Ich kann mich noch an das ein oder andere Gedicht erinnern, welches ich damals auswendig lernen musste und vor der versammelten Festhalle mit Mikrofon aufsagen durfte. Eieiei, aus heutiger Sicht war das ja schon ne ganz ordentliche Propaganda-Maschinerie, die da betrieben wurde, erinnert ein wenig an die DDR. Andererseits war ich damals schon irgendwie stolz, als ich endlich zu den "Großen" gehörte, mit dem Partisanen-Schiffchen-Käppi und dem roten Halstuch, und den donnernden Applaus nach aufgesagtem Gedicht kann ich heute noch hören.
Woran ich mich aber auch noch genauso erinnern kann, war das Drama einer jeden Einreise nach Jugoslawien - immer wieder diese Schikane an der Grenze in Spielfeld, das ganze Auto wurde regelrecht zerpflückt, wir Kinder standen teilweise ewig draußen im Regen, unser Gepäck wurde achtlos in Pfützen geworfen... ob das nun Bosnier, Serben, was auch immer für Landsleute waren kann ich nicht sagen, lediglich dass ich ihre Sprache nicht verstanden habe, da ich nur slowenisch sprach / spreche.
Auch kann ich mich erinnern, dass wenn ich zu Ostern Geld (Dinar) von meinen Verwandten geschenkt bekommen habe und es für den Sommerurlaub gespart hatte, es dann plötzlich wesentlich weniger wert war.
Als ich einen Platten an meinem Fahrrad hatte, erhielt ich im Geschäft "Mercator" die ernüchternde Auskunft, dass es gerade keine Fahrradschläuche zu kaufen gäbe, erst wieder in ein paar Wochen lieferbar. Dafür könnte ich aber noch einen Gepäckträger "po stari ceni" bekommen... dasselbe Drama, wenn meine Eltern irgendwelche Baustoffe für unser Haus bei der "Metalka" kaufen wollten.
Ach ja, und da war dann noch die Zeit mit den Benzingutscheinen - jeder Slowene erhielt, wenn ich mich richtig erinnere, pro PKW einen "Bon" für 40l und für jedes Moped einen für 5l pro Monat. Wir "Ausländer" konnten in Deutschland so viele Gutscheine kaufen wie wir wollten.
Ich weiß noch genau, als mein Cousin mich in unserem Haus besuchte und ich mir wie selbstverständlich eine Dose Cola aus dem Kühlschrank nahm - mein Cousin schaute mich mit großen Augen an, was das denn wäre.
Statt Kleingeld gab es beim Wechselgeld oft "Bazoka"-Kaugummis. Es gab keine Einwegflaschen - sogar auf Gurkengläser wurde Pfand erhoben.
Meine Onkels, größtenteils in Kombinaten beschäftigt, hatten immer schon um 14 Uhr Feierabend, dann begann die "eigentliche" Arbeit zu Hause auf dem kleinen Bauernhof. Oftmals kamen sie sehr ausgeruht in den Feierabend, da im Kombinat nicht gearbeitet werden konnte, weil dringend benötigte Ersatzteile für die Maschinen, Traktoren etc. fehlten. Dann wurden halt Karten gespielt...
Die Zastava 101 rosteten schon im Prospekt.
Wir in Deutschland lebenden Kinder waren damals richtige "Kings" mit unseren kapitalistischen Errungenschaften wie Walkman, eigenes Mofa, ...
Heute gibt es keine Grenze mehr, an der wir kontrolliert werden. Dafür gibt es LIDL, Hofer, Deichmann, SPAR, DM und so weiter. Milka-Schokolade macht sich in den Ragalen breit, altbekannte Marken verschwinden. Unglaubliche Mengen an Einwegverpackungen landen im Müll, auf der Strasse und sonstwo. In den Einfahrten der Häuser stehen schicke Autos namhafter Europäischer Hersteller. Es gibt Autobahnen, damit man schneller von A nach B kommen kann. Und sinnbildlich damit vollzieht sich eine permamente Beschleunigung des Lebens.
Die Preise für die Lebenshaltung sind so gepfeffert, dass man sich als durchschnittlich in Deutschland Verdienender fragt: wie schaffen die das, mit dem bisschen Kohle zu überleben?
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob diese Veränderungen in irgendeiner Form mit Tito oder seinem Ableben zu tun haben. Dazu fehlt mir allein der politische Weitblick sowie der geschichtliche Hintergrund, ebenso die Erfahrung, in Slowenien gelebt zu haben. Ich weiß auch im Nachhinein nicht, was besser ist oder war. Für mich war Tito immer nur ein streng dreinblickender Mann, vor dem ich als Kind ein wenig Angst hatte.
Viele Grüße, Robert
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Manchmal hat man einfach kein Glück - und dann kommt auch noch Pech dazu.