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Der Prozeß ist heute trotz des Vertagungsantrags fortgesetzt worden und Karadzic hat sich sogar bequemt, an der Verhandlung teilzunehmen.Der Zeuge tut einem ja unendlich leid, dass er das ganze Erlebte noch mal vortragen und sich vermutlich auch noch wird ins Kreuzverhör nehmen lassen müssen. Aber es geht wenigstens weiter mit dem Verfahren und auch wenn Karadzic sich "bequem" zurücklehnt - so einfach wird er die Aussagen des Zeugen nicht entkräften können. Die Frage wird nur sein, ob man eine Verbindung zwischem dem Leiden des Betroffenen und Karadzic wird herstellen können. Sprich ob die Anklagte es schafft, eine (Mit-)Verantwortung des Angeklagten nachzuweisen.Ex-Lagerinsasse berichtet von brutalen Morden
Im Völkermordsprozess gegen den früheren bosnischen Serbenführer Karadzic hat zum ersten Mal ein Zeuge ausgesagt. Der 62-jährige Ahmet Zulic, der selbst in einem serbischen Lager inhaftiert war, berichtete wie muslimische Gefangene auf brutale Weise umgebracht wurden. Karadzic hörte sich die Schilderungen teilnahmslos an.
Ahmet Zulic ist ein unscheinbarer Mann, seine rosa Krawatte sitzt schief, er sitzt fast regungslos da. Aber dieser Mann ist von großer Bedeutung für den Prozess gegen den mutmaßlichen Massenmörder Radovan Karadzic. Ahmet Zulic ist der erste Zeuge der Anklage, der vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag aufgetreten ist. Dabei fühlte man, dass sich die Gräueltaten in seinem Kopf wiederholten. Dennoch schilderte er einen Angriff serbischer Truppen ganz sachlich: "Auch noch nach dem eigentlich Angriff wurden Moslems getötet, fünf bis sechs allein in einem einzigen Haus."
"Die Männer wurden von den Frauen getrennt", berichtete der 62-Jährige, der selbst in einem Lager gefangenen gehalten worden war. "Man brachte die Frauen in ein anderes Dorf und die Männer mussten in eine Sporthalle oder zu Bussen maschieren."
Zulic selbst redete nur sehr wenig. Staatsanwältin Ann Sutherland trug die meiste Zeit vor, was Zulic schon vor dem Prozess zu Protokoll gegeben hatte. Dabei erfuhr das Gericht, dass Zulic miterleben musste, wie seine Familie verschleppt wurde. Zulic beschrieb, wie vor seinen Augen bosnische Zivilisten von serbischen Soldaten getötet wurden und dass er selbst gefangenen genommen und in ein Lager gebracht wurde. Dort sei er auf 50 Kilo abgemagert.
Außerdem berichtete Zulic, dass Gefangenen die Kehle durchgeschnitten, sie erschlagen oder erschossen und dann in ein Grab gestoßen wurden. Das Grab hatten sie selbst vorher schaufeln müssen, so der Zeuge.
Der ehemalige bosnische Serbenführer Radovan Karadzic, des Völkermordes und zahlreicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt, hörte sich die Aussage relativ teilnahmslos an. Er gähnte zwischendurch und lehnte sich entspannt in seinem Sessel zurück. Zur Aussage Zulics hatte er zunächst nur eine Anmerkung: "Das ist eine große Überraschung. Denn der Zeuge hat 700 bis 800 Namen mitgebracht, für die ich nun Zeit brauche, diese auch zu überprüfen."
Wesentlich mehr aussagen wird Zulic dann, wenn er gezielt von den Staatsanwälten und der Verteidigung befragt wird. Karadzic, der wegen angeblich zu geringer Vorbereitungszeit an seinem Prozess erneut nur unter Protest teilnahm, will sich weiter selbst verteidigen. Er hatte aber immerhin einen beratenden Anwalt bei sich.
Den vom Gericht eingesetzten Pflichtverteidiger würdigte er keines Blickes. Karadzic bekundete, dass er den Zeugen in den nächsten beiden Verhandlungstagen auf jeden Fall weiter ins Kreuzverhör nehmen wolle. Für dieses Kreuzverhör hatte der Vorsitzende Richter ihm mehrere Stunden zugestanden.
Doch Zulic, so unscheinbar er auch wirkt, macht den Eindruck, dass ihn das nicht mehr erschüttern kann. Gerichtserfahrung hat er schließlich schon. Als Zeuge sagte er im Prozess gegen Slobodan Milosevic aus, der ähnlicher Gräueltaten angeklagt war wie Karadzic. Milosevic starb in seiner Zelle im Haager Badeort Scheveningen, bevor ein Urteil gesprochen werden konnte.
Quelle: WDR-Hörfunkstudio Den Haag