Nicht mit Karadžić

Wenn es wieder gilt die Vergangenheit aufzuarbeiten

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arcalis
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Apr 2010 13 23:05

Re: Nicht mit Karadžić

Ungelesener Beitrag von arcalis

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Der Prozeß ist heute trotz des Vertagungsantrags fortgesetzt worden und Karadzic hat sich sogar bequemt, an der Verhandlung teilzunehmen.
Ex-Lagerinsasse berichtet von brutalen Morden

Im Völkermordsprozess gegen den früheren bosnischen Serbenführer Karadzic hat zum ersten Mal ein Zeuge ausgesagt. Der 62-jährige Ahmet Zulic, der selbst in einem serbischen Lager inhaftiert war, berichtete wie muslimische Gefangene auf brutale Weise umgebracht wurden. Karadzic hörte sich die Schilderungen teilnahmslos an.

Ahmet Zulic ist ein unscheinbarer Mann, seine rosa Krawatte sitzt schief, er sitzt fast regungslos da. Aber dieser Mann ist von großer Bedeutung für den Prozess gegen den mutmaßlichen Massenmörder Radovan Karadzic. Ahmet Zulic ist der erste Zeuge der Anklage, der vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag aufgetreten ist. Dabei fühlte man, dass sich die Gräueltaten in seinem Kopf wiederholten. Dennoch schilderte er einen Angriff serbischer Truppen ganz sachlich: "Auch noch nach dem eigentlich Angriff wurden Moslems getötet, fünf bis sechs allein in einem einzigen Haus."

"Die Männer wurden von den Frauen getrennt", berichtete der 62-Jährige, der selbst in einem Lager gefangenen gehalten worden war. "Man brachte die Frauen in ein anderes Dorf und die Männer mussten in eine Sporthalle oder zu Bussen maschieren."

Zulic selbst redete nur sehr wenig. Staatsanwältin Ann Sutherland trug die meiste Zeit vor, was Zulic schon vor dem Prozess zu Protokoll gegeben hatte. Dabei erfuhr das Gericht, dass Zulic miterleben musste, wie seine Familie verschleppt wurde. Zulic beschrieb, wie vor seinen Augen bosnische Zivilisten von serbischen Soldaten getötet wurden und dass er selbst gefangenen genommen und in ein Lager gebracht wurde. Dort sei er auf 50 Kilo abgemagert.

Außerdem berichtete Zulic, dass Gefangenen die Kehle durchgeschnitten, sie erschlagen oder erschossen und dann in ein Grab gestoßen wurden. Das Grab hatten sie selbst vorher schaufeln müssen, so der Zeuge.

Der ehemalige bosnische Serbenführer Radovan Karadzic, des Völkermordes und zahlreicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt, hörte sich die Aussage relativ teilnahmslos an. Er gähnte zwischendurch und lehnte sich entspannt in seinem Sessel zurück. Zur Aussage Zulics hatte er zunächst nur eine Anmerkung: "Das ist eine große Überraschung. Denn der Zeuge hat 700 bis 800 Namen mitgebracht, für die ich nun Zeit brauche, diese auch zu überprüfen."

Wesentlich mehr aussagen wird Zulic dann, wenn er gezielt von den Staatsanwälten und der Verteidigung befragt wird. Karadzic, der wegen angeblich zu geringer Vorbereitungszeit an seinem Prozess erneut nur unter Protest teilnahm, will sich weiter selbst verteidigen. Er hatte aber immerhin einen beratenden Anwalt bei sich.

Den vom Gericht eingesetzten Pflichtverteidiger würdigte er keines Blickes. Karadzic bekundete, dass er den Zeugen in den nächsten beiden Verhandlungstagen auf jeden Fall weiter ins Kreuzverhör nehmen wolle. Für dieses Kreuzverhör hatte der Vorsitzende Richter ihm mehrere Stunden zugestanden.

Doch Zulic, so unscheinbar er auch wirkt, macht den Eindruck, dass ihn das nicht mehr erschüttern kann. Gerichtserfahrung hat er schließlich schon. Als Zeuge sagte er im Prozess gegen Slobodan Milosevic aus, der ähnlicher Gräueltaten angeklagt war wie Karadzic. Milosevic starb in seiner Zelle im Haager Badeort Scheveningen, bevor ein Urteil gesprochen werden konnte.

Quelle: WDR-Hörfunkstudio Den Haag
Der Zeuge tut einem ja unendlich leid, dass er das ganze Erlebte noch mal vortragen und sich vermutlich auch noch wird ins Kreuzverhör nehmen lassen müssen. Aber es geht wenigstens weiter mit dem Verfahren und auch wenn Karadzic sich "bequem" zurücklehnt - so einfach wird er die Aussagen des Zeugen nicht entkräften können. Die Frage wird nur sein, ob man eine Verbindung zwischem dem Leiden des Betroffenen und Karadzic wird herstellen können. Sprich ob die Anklagte es schafft, eine (Mit-)Verantwortung des Angeklagten nachzuweisen.
:grillen: :stoesschen: :rose: :hofmachen:
Versuchungen sollte man nachgeben.
Wer weiß, ob sie wiederkommen!

Oscar Wilde
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Apr 2010 23 11:20

Re: Nicht mit Karadžić

Ungelesener Beitrag von arcalis

SPIEGELonline schreibt:
Ex-Polizisten zu je 31 Jahren Haft verurteilt
Sie sollen geholfen haben, mindestens 1000 Wehrlose zu ermorden: Ein Gericht hat zwei Serben wegen ihrer Beteiligung am Massenmord in Srebrenica zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Das Massaker im Jahr 1995 gilt als das schwerste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.
Sarajevo - Wegen der Beteiligung an den Gräueltaten von Srebrenica hat ein bosnisches Gericht gegen zwei frühere Angehörige einer Sondereinheit der bosnisch-serbischen Polizei langjährige Haftstrafen verhängt. Die Richter in Sarajevo verurteilten Radomir Vukovic und Zoran Tomic am Donnerstag wegen Beihilfe zum Völkermord zu je 31 Jahren Haft.
Dem Urteil zufolge waren sie im Jahr 1995 an der Tötung von "mindestens 1000 muslimischen Männern" in einer Lagerhalle in Kravica in der Nähe von Srebrenica beteiligt. Vukovic warf demnach Handgranaten in die Menge, Tomic schoss mit einem automatischen Gewehr auf die Gefangenen
Fanatisierte Serben ermordeten 1995 in Srebrenica im Osten Bosniens rund 8000 überwiegend männliche Muslime. Ein kleines Kontingent niederländischer Blauhelmsoldaten überließ die Uno-Schutzzone den Angreifern kampflos. Das Massaker gilt als das schwerste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Leichen der Opfer wurden später in Massengräbern gefunden.
Der frühere Präsident der bosnischen Serbenrepublik, Radovan Karadzic, muss sich für die Geschehnisse in Srebrenica und weitere Verbrechen vor dem Uno-Kriegsverbrechertribunal verantworten. Als weiterer Hauptverantwortlicher für das Massaker gilt der noch immer flüchtige serbische General Ratko Mladic.
Fast 15 Jahre nach dem Massenmord hatte das serbische Parlament den Hinterbliebenen Ende März sein Mitleid ausgesprochen. Mit einer knappen Mehrheit rangen sich die Abgeordneten zu einer Entschuldigung durch. In der Resolution verurteilen sie die Gräueltaten während des Bosnienkriegs "auf das Schärfste". Den Familien der Opfer sprach das Parlament sein Mitleid aus und entschuldigte sich dafür, dass Belgrad seinerzeit nicht genug unternommen habe, um das Verbrechen zu verhindern.
Zwei Polizisten, die unmittelbar beteiligt waren, wurden somit verurteilt. 31 Jahre sind eine hohe Strafe und eigentlich fast lebenslänglich. Aber ob man angesichts solcher Tate überhaupt von einer gerechten Strafe sprechen kann, mag dahingestellt sein. Es ist gut und für die Opfer wichtig, dass ein Gerichtsverfahren mit einem solchen Urteil zum Abschluss gebracht und die Verantwortung der Täter festgestellt wird.
Im Hinblick auf den Prozeß gegen Karadzic kann man nur hoffen, dass es nicht wieder nach der Devise ausgeht, dass man die Kleinen hängt und die Grossen laufen lassen muss. Ohne die geistige Brandstiftung der Anführer wären die direkten Täter aber vermutlich nie zu solchen geworden.
Man kann nur hoffen, dass jedes gesprochene Urteil in diesem Zusammenhang im Hinblick auf die Beweisführung gegen Karadzic in irgendeiner Weise hilfreich ist und dazu beitragen kann, dessen Verantwortung nachzuweisen.
:grillen: :stoesschen: :rose: :hofmachen:
Versuchungen sollte man nachgeben.
Wer weiß, ob sie wiederkommen!

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