Slavoj Žižek

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Tom
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Mai 2011 12 14:15

Slavoj Žižek

Ungelesener Beitrag von Tom

Slavoj Žižek
Bild Der gebürtige Slowene Slavoj Žižek (geb. 1949) ist einer der berühmtesten und meistumstrittenen Philosophen und Kulturtheoretiker der Gegenwart. Zu seinen zahlreichen Tätigkeiten in Europa und den Vereinigten Staaten gehören seine Arbeit als leitender Forscher am Institut für Soziologie der Universität Ljubljana in Slowenien und als Professor an der European Graduate School in der Schweiz. Er ist der Verfasser mehrerer Werke, das letzte ist „Living in the End Times“ (Verso), und schreibt regelmäßig Beiträge für den Guardian und die London Review of Books.

Lasst uns die festgefahrene Situation zwischen den blutleeren Liberalen und den leidenschaftlichen Extremisten aufbrechen, um Europa weiterzubringen, so argumentiert der slowenische Philosoph Slavoj Žižek.

Slavoj Žižek

EINE STIMME ZU EUROPA
Ich habe einen Traum

Als Slowenien vor zehn Jahren kurz davor stand, der Europäischen Union beizutreten, paraphrasierte einer unserer Euroskeptiker voller Sarkasmus einen Witz der Marx Brothers über die Probleme mit Rechtsanwälten: Haben wir Slowenen Ärger? Treten wir doch der EU bei! Dann haben wir zwar noch mehr Ärger, aber auch die EU, die sich darum kümmert. Genau so sehen viele Slowenen die EU heute: Sie bringt zwar eine gewisse Unterstützung, doch sie bringt auch neue Probleme (Vorschriften und Bußgelder, finanzielle Beiträge zur Rettung Griechenlands usw.). Ist es die EU also wert, dass man sie verteidigt? Die echte Frage lautet natürlich: Welche EU?

Vor gut hundert Jahren machte Gilbert Keith Chesterton auf den blinden Fleck jedweder Religionskritik aufmerksam: „Menschen, die im Namen der Freiheit und der Menschlichkeit gegen die Kirche kämpfen, vertreiben Freiheit und Menschlichkeit, wenn sie ausschließlich gegen die Kirche kämpfen. Säkularisten bringen nicht die Idee vom Göttlichen zum Verschwinden, sondern zerstören vielmehr das Säkulare, falls Ihnen das ein Trost sein kann.“ Dasselbe gilt für die Anwälte des Religiösen selbst. Wie viele fanatische Verfechter der Religion begannen mit Attacken gegen die säkulare Kultur und gaben letztendlich jegliche bedeutungsvolle religiöse Erfahrung auf?

Ähnlich sind viele liberale Kämpfer so sehr darauf erpicht, den antidemokratischen Fundamentalismus zu bekämpfen, dass sie letztendlich Freiheit und Demokratie selbst fortschleudern. Die „Terroristen“ sind zwar bereit, diese Welt aus Liebe zu einer anderen Welt zu zerstören, doch unsere Kämpfer gegen den Terror sind bereit, ihre eigene demokratische Welt aus Hass gegen den muslimischen Anderen zu zerstören. Manche von ihnen lieben die Menschenwürde so sehr, dass sie sogar bereit sind, die Folter – die ultimative Erniedrigung der Menschenwürde – zu legalisieren, um sie zu verteidigen.

In ihrem Eifer, das christliche Europa zu wahren, begraben die neuen Eiferer sein Erbe
Und gilt nicht auch dasselbe für den neuesten Aufstieg der Verteidiger Europas gegen die Bedrohung durch die Immigranten? In ihrem Eifer, das jüdisch-christliche Erbe zu schützen, sind die neuen Eiferer bereit, den wahren Kern des christlichen Erbes zu begraben: nämlich, dass jeder Einzelne einen direkten Zugang zur Universalität des Heiligen Geistes hat (oder heute eben der Menschenrechte und Freiheiten); dass ich selbst an dieser universalen Dimension direkt teilnehmen kann, unabhängig von meiner Stellung innerhalb der globalen Sozialordnung.

Die „schockierenden“ Worte Christi bei Lukas weisen uns den Weg einer Universalität, die jegliche soziale Hierarchie ignoriert: „Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater und seine Mutter und seine Frau und seine Kinder und seine Brüder und Schwestern, dazu aber auch sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein." (14,26)

Familienbeziehungen stehen hier für jegliche besondere ethnische oder hierarchische soziale Bindung, die unseren Platz in der globalen Ordnung der Dinge definiert. Der „Hass“, der da von Christus angeordnet wird, ist demnach nicht das Gegenteil christlicher Liebe, sondern ihre direkte Bezeugung: Die Liebe selbst ordnet uns an, uns von der organischen Gemeinschaft, in die wir hineingeboren wurden, „loszulösen“, oder, wie der Heilige Paulus es ausdrückte: Für einen Christen gibt es weder Mann noch Frau, weder Jude noch Grieche. Kein Wunder, dass diejenigen, die sich gänzlich mit einer bestimmten Lebensweise identifizierten, die Erscheinung Christi als lächerlich oder traumatisch wahrnahmen.

Doch die Sackgasse, in der Europa steckt, geht noch viel weiter. Das echte Problem liegt darin, dass die Kritiker der Anti-Immigrations-Bewegung den kostbaren Kern des europäischen Erbes verteidigen sollten, doch statt dessen dazu tendieren, sich auf das endlose Ritual zu beschränken, in dem sie Europas eigene Sünden beichten, demütig die Einschränkungen des europäischen Erbes akzeptieren und den Reichtum anderer Kulturen zelebrieren.

„Die Besten sind des Zweifels voll, die Ärgsten von der Leidenschaft erfüllt.“
Die berühmten Zeilen aus dem Gedicht „Das Zweite Kommen“ von William Butler Yeats beschreiben perfekt unser heutiges Dilemma: „Die Besten sind des Zweifels voll, die Ärgsten sind von der Kraft der Leidenschaft erfüllt.“ Dies ist eine ausgezeichnete Beschreibung der aktuellen Spaltung zwischen den blutleeren Liberalen und den leidenschaftlichen Fundamentalisten, ob es sich dabei nun um Muslime handelt oder um unsere eigenen, die Christen. „Die Besten“ sind nicht länger dazu fähig, sich voll und ganz zu engagieren, während sich „die Ärgsten“ auf einen rassistischen, religiösen oder sexistischen Fanatismus einlassen. Wie können wir aus dieser festgefahrenen Situation ausbrechen?

Eine kürzlich in Deutschland abgelaufene Debatte kann uns vielleicht den Weg weisen. Im vergangenen Oktober erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Rede vor ihrer konservativen christlich-demokratischen Union, der Ansatz des Multikulti, des Nebeneinander-Herlebens und Sich-übereinander-Freuens sei gescheitert. „Absolut gescheitert.“ Damit ging sie auf die ein paar Jahre zurückliegende Diskussion über Leitkultur ein, als die Konservativen darauf bestanden, jeder Staat beruhe auf einem vorherrschenden Kulturraum, den die Mitglieder anderer, im selben Raum lebender Kulturen respektieren sollten.

Derartigen Erklärungen zufolge sollten wir, anstatt das neu aufkommende rassistische Europa zu beklagen, Selbstkritik beweisen und uns fragen, in welchem Ausmaß unsere eigene abstrakte Multikulturalität zu diesem traurigen Stand der Dinge beigetragen hat. Wenn nicht alle Seiten in gleicher Weise zuvorkommend sind, dann wird Multikulturalität zu einer durch Gesetze regulierten gegenseitigen Unkenntnis oder zu Hass. Der Konflikt über Multikulturalität ist bereits ein Konflikt über Leitkultur: Er ist kein Konflikt zwischen Kulturen, sondern zwischen verschiedenen Vorstellungen davon, wie verschiedene Kulturen nebeneinander bestehen können und sollen, sowie von den Regeln und Bräuchen, die diese Kulturen teilen müssen, wenn sie nebeneinander bestehen sollen.

Nie tolerant genug? Zu tolerant?
Man sollte somit vermeiden, sich in dem liberalen Spiel des „Wie viel Toleranz können wir uns leisten?“ zu verfangen: Sollen wir es tolerieren, wenn sie ihre Kinder davon abhalten, die staatlichen Schulen zu besuchen? Wenn sie ihre Frauen dazu zwingen, sich auf eine bestimmte Art zu kleiden? Wenn sie Ehen arrangieren oder Homosexuelle brutalisieren? Auf dieser Ebene sind wir natürlich nie tolerant genug, oder wir sind jetzt schon zu tolerant und vernachlässigen die Rechte der Frauen, der Homosexuellen usw.

Der einzige Weg, aus dieser verfahrenen Situation auszubrechen, besteht darin, ein positives, allgemeingültiges Projekt vorzuschlagen, an welchem alle teilnehmen. Kämpfe, bei denen „weder Mann noch Frau, weder Jude noch Grieche“ gilt, gibt es viele, von der Ökologie bis zur Ökonomie.

Vor ein paar Monaten geschah ein kleines Wunder im besetzten Westjordanland: Zu den palästinensischen Frauen, die gegen die Mauer demonstrierten, gesellte sich eine Gruppe lesbischer Jüdinnen aus Israel. Das anfängliche Misstrauen verflog bei der ersten Auseinandersetzung mit den israelischen Soldaten, die die Mauer bewachten, und es kam eine erhabene Solidarität auf, wobei eine traditionell gekleidete Palästinenserin eine jüdische Lesbe mit lila Igelfrisur umarmte – ein lebendiges Symbol für das, was unser Kampf sein sollte.

Also lag der slowenische Euroskeptiker mit seinem Marx-Brothers-Sarkasmus vielleicht daneben. Anstatt mit der Aufwand-Nutzen-Analyse unseres Beitritts zur EU Zeit zu verlieren, sollten wir uns auf das konzentrieren, wofür die EU wirklich steht. Meistens agiert sie als Regulierer der globalen kapitalistischen Entwicklung; manchmal liebäugelt sie mit der konservativen Verteidigung ihrer Tradition. Beide Wege führen zu Vergessenheit, zu Europas Randständigkeit. Der einzige Weg, der aus diesem lähmenden Stillstand hinausführt, ist die Wiederbelebung des europäischen Erbes einer radikalen, universellen Emanzipation. Die Aufgabe besteht darin, die anderen nicht mehr einfach nur zu tolerieren, sondern zu einer positiven emanzipatorischen Leitkultur zu gelangen, die eine authentische Koexistenz tragen kann. Respektiert die anderen nicht nur, sondern leistet einen gemeinsamen Kampf, denn unsere Probleme sind uns heute gemeinsam.

Aus dem Englischen von Patricia Lux-Martel


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Manche Leute drücken nur ein Auge zu, damit sie besser zielen können.
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stajerka
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Mai 2011 12 15:03

Re: Slavoj Žižek

Ungelesener Beitrag von stajerka

wow ich finde diese stellen , vollkomend zutreffend , das ist das was ich immer versuche zu sagen , wir versuchen oder zumindest die ach so Demokratischen Länder den anderen Ländern beizubringen was Demokratie ist , aber Sie versagen selber
vor einigen Tagen wurde angeblich Bin Laden erschossen , auf den Strassen sah man jubelnde Amis , Sie unterscheiden sich in keinsterweise von den Menschen in Pakistan Afghanistan außer die Hautfarbe und der Religion , ich persönlich hätte Bin Laden gerne in Den Haag gesehen , aber die Weltpolizeit und Demokratieanführer Amerika hat seine eigenen Gesetze naja in dem sinne

Vor gut hundert Jahren machte Gilbert Keith Chesterton auf den blinden Fleck jedweder Religionskritik aufmerksam: „Menschen, die im Namen der Freiheit und der Menschlichkeit gegen die Kirche kämpfen, vertreiben Freiheit und Menschlichkeit, wenn sie ausschließlich gegen die Kirche kämpfen. Säkularisten bringen nicht die Idee vom Göttlichen zum Verschwinden, sondern zerstören vielmehr das Säkulare, falls Ihnen das ein Trost sein kann.“ Dasselbe gilt für die Anwälte des Religiösen selbst. Wie viele fanatische Verfechter der Religion begannen mit Attacken gegen die säkulare Kultur und gaben letztendlich jegliche bedeutungsvolle religiöse Erfahrung auf

Ähnlich sind viele liberale Kämpfer so sehr darauf erpicht, den antidemokratischen Fundamentalismus zu bekämpfen, dass sie letztendlich Freiheit und Demokratie selbst fortschleudern. Die „Terroristen“ sind zwar bereit, diese Welt aus Liebe zu einer anderen Welt zu zerstören, doch unsere Kämpfer gegen den Terror sind bereit, ihre eigene demokratische Welt aus Hass gegen den muslimischen Anderen zu zerstören. Manche von ihnen lieben die Menschenwürde so sehr, dass sie sogar bereit sind, die Folter – die ultimative Erniedrigung der Menschenwürde – zu legalisieren, um sie zu verteidigen.

wen man sich an die Foltermetode der Amerikaner in Guantanamo und die Bilder in erinnerung hat , hat das nichts mit Demokratie zu tun , da muß man sich nicht wundern das der Hass in diesen Ländern so hoch ist ,

http://www.spiegel.de/thema/gefangenenlager_guantanamo/" onclick="window.open(this.href);return false;


In ihrem Eifer, das christliche Europa zu wahren, begraben die neuen Eiferer sein Erbe
Und gilt nicht auch dasselbe für den neuesten Aufstieg der Verteidiger Europas gegen die Bedrohung durch die Immigranten? In ihrem Eifer, das jüdisch-christliche Erbe zu schützen, sind die neuen Eiferer bereit, den wahren Kern des christlichen Erbes zu begraben: nämlich, dass jeder Einzelne einen direkten Zugang zur Universalität des Heiligen Geistes hat (oder heute eben der Menschenrechte und Freiheiten); dass ich selbst an dieser universalen Dimension direkt teilnehmen kann, unabhängig von meiner Stellung innerhalb der globalen Sozialordnung.

Die „schockierenden“ Worte Christi bei Lukas weisen uns den Weg einer Universalität, die jegliche soziale Hierarchie ignoriert: „Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater und seine Mutter und seine Frau und seine Kinder und seine Brüder und Schwestern, dazu aber auch sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein." (14,26)

Familienbeziehungen stehen hier für jegliche besondere ethnische oder hierarchische soziale Bindung, die unseren Platz in der globalen Ordnung der Dinge definiert. Der „Hass“, der da von Christus angeordnet wird, ist demnach nicht das Gegenteil christlicher Liebe, sondern ihre direkte Bezeugung: Die Liebe selbst ordnet uns an, uns von der organischen Gemeinschaft, in die wir hineingeboren wurden, „loszulösen“, oder, wie der Heilige Paulus es ausdrückte: Für einen Christen gibt es weder Mann noch Frau, weder Jude noch Grieche. Kein Wunder, dass diejenigen, die sich gänzlich mit einer bestimmten Lebensweise identifizierten, die Erscheinung Christi als lächerlich oder traumatisch wahrnahmen.

Doch die Sackgasse, in der Europa steckt, geht noch viel weiter. Das echte Problem liegt darin, dass die Kritiker der Anti-Immigrations-Bewegung den kostbaren Kern des europäischen Erbes verteidigen sollten, doch statt dessen dazu tendieren, sich auf das endlose Ritual zu beschränken, in dem sie Europas eigene Sünden beichten, demütig die Einschränkungen des europäischen Erbes akzeptieren und den Reichtum anderer Kulturen zelebriere
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Benutzer 989 gelöscht
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Mai 2011 13 19:38

Re: Slavoj Žižek

Ungelesener Beitrag von Benutzer 989 gelöscht

Slavoj Žižek polarisiert extreme und schlägt geistig Verwirrten den Schädel wieder gerade, indem er weniger
vercode-ete Sprache verwendet wie die Banker in der Sparkasse? :mrgreen:
siehe auch Erklärung/vergleichende Studie: Bauweise von Toiletten vs. Ideologie / ab 04:50 ( die drei Grundformen der Toiletten )
einfacher kann man es kaum erklären?
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Žižek: europäische Trinität
England: wirtschaftliche, pragmatische Haltung
Frankreich: politsche, revolutionäre Haltung
Deutschland: metaphysische, nachdenkliche Haltung... :totlach:

...unabhängig von Marx, Hegel, Kant u. Lacans Psychoanalytik? :spinnt:
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France Prešeren
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Re: Slavoj Žižek

Ungelesener Beitrag von France Prešeren

Žižek hielt auch eine Rede bei der Demonstration Occupy Wall Street auf dem Liberty Place. Hier nachzulesen.
Nazadnje še, prijatlji,kozarce zase vzdignimo,ki smo zato se zbrat'li,ker dobro v srcu mislimo.
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Benutzer 989 gelöscht
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Okt 2011 18 02:10

Re: Slavoj Žižek

Ungelesener Beitrag von Benutzer 989 gelöscht

France Prešeren hat geschrieben:Žižek hielt auch eine Rede bei der Demonstration Occupy Wall Street auf dem Liberty Place. Hier nachzulesen.
interessante Sichtweise...
Satz mit Nährwert: Hütet Euch nicht nur vor Feinden, sondern auch vor falschen Freunden, die vorgeben, uns unterstützen zu wollen, während sie bereits emsig daran werken, unseren Protest zum Schweigen zu bringen. :absolvent:
Žižek polarisiert schön, wie Michel Friedman... :klatschend:

dieser Witz, sagt Alles über Wirtschaftswissenschaft:
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...und dieser Witz, sagt Alles über Fussball:
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MOMO
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Re: Slavoj Žižek

Ungelesener Beitrag von MOMO

Slavoj Žižek und sein Vortrag in Frankfurt

Slavoj Žižek aus Ljubljana, Slowenien, das enfant terrible der zeitgenössischen politischen Philosophie veröffentlichte jüngst sein neues Buch "Die bösen Geister des himmlischen Bereichs - Der linke Kampf um das 21. Jahrhundert" im S. Fischer Verlag in Frankfurt am Main und war Ende November für einen Vortrag zu Gast im Frankfurter Literaturhaus. „Der gestiefelte Kater“ bekam in diesem Rahmen die Gelegenheit seinen Vortrag aufzunehmen und für euch aufzuarbeiten. Žižek gab sich gewohnt angriffslustig, redegewandt und durchaus amüsant und präsentierte weniger einen Querschnitt seines neuen Werks, als vielmehr einen allgemeinen Einblick in sein politisches Denken. In diesem Beitrag erwarten euch Informationen zu seiner Person und seinem neuen Buch sowie Ausschnitte aus seinem lesenswerten Vortrag in Frankfurt am Main.

Der Slowene Slavoj Žižek gehört inzwischen zu den wohl wichtigsten politphilosophischen Intellektuellen Europas. Der 1949 in Ljubljana geborene Žižek hat über 50 Bücher veröffentlicht und lehrt politische Philosophie an zahlreichen europäischen Hochschulen. Neben seiner Professorentätigkeit am Fachbereich Philosophie der Universität Ljubljana lehrt er an der European Graduate School in der Schweiz und dem Birkbeck Institute for the Humanities an der University of London. Vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion konnte Žižek ob seines Dissidentenstatus nicht frei lehren und veröffentlichen, gilt jedoch seither als unermüdlicher politischer Aktivist. 1990 trat er bei den ersten freien Präsidentschaftswahlen Sloweniens an, jedoch ohne Erfolg. Seitdem konzentriert er sich auf seine Lehr- und Publikationstätigkeit, reist unermüdlich von Vortrag zu Vortrag, nimmt an politischen Protestveranstaltungen teil, wie jüngst den Occupy-Wall-Street Sit-Ins in New York und kommentiert in der Presse laufend Ereignisse des Weltgeschehens, unter anderem regelmäßig beim englischsprachigen Ableger des arabischen Satellitensenders Al Jazeera.

Žižek gilt als einer der innovativsten Polit- und Kulturtheoretiker seiner Zeit, wobei ihm sein kompromissloser Hang zu marxistisch psychoanalytischer Herangehensweise oft den Vorwurf eines leichtfertigen Populismus oder einer mangelnden Ernsthaftigkeit eingetragen hat. Er beschäftigt sich im Kern mit philosophisch grundierter Kapitalismus- und Ideologiekritik. Die grundsätzliche Basis seines Schaffens ist eine sehr anregende, aber auch manchmal schwer nachvollziehbare Kombination des klassischen philosophischen Idealismus, marxistischen Analyserastern sowie der Psychoanalyse nach Jacques Lacan. Als literarische Einführung in sein Denken empfiehlt sich das 2009 im Suhrkamp Verlag erschienene Buch „Auf verlorenem Posten“, welches versucht seine Ideen anhand der aktuellen weltpolitischen Lage etwas konkreter zu umreißen.

Auf Seite 23 heißt es zum Thema Finanz- und Wirtschaftkrise: „Aufgabe der herrschenden Ideologie besteht folglich angesichts der aktuellen Krise darin, eine Erzählung zu etablieren, welche die Schuld für den Zusammenbruch nicht dem globalen kapitalistischen System als solchem zuschreibt, sondern lediglich sekundären, zufälligen Abweichungen vom ursprünglichen Plan: der zu lockeren rechtlichen Regulierung, der Korruption in den großen finanziellen Institutionen usw. (..) Die Gefahr besteht also darin, dass sich am Ende eine Erzählung durchsetzt, die uns nicht aufweckt, sondern die es uns ermöglicht weiterzuträumen.“ Sein neustes Werk, "Die bösen Geister des himmlischen Bereichs - Der linke Kampf um das 21. Jahrhundert", erschienen im S. Fischer Verlag in Frankfurt am Main, widmet sich einer politischen Standortbestimmung der internationalen Linken. Auch in seinem Vortrag in Frankfurt durften einige Worte zur Bedeutung von Ideologie in unserer kapitalistischen Gesellschaft nicht fehlen:

Slavoj Žižek: Now I will do something horrible. I will repeat for the at least 30th time a joke, which I’m sure you really all know, but it’s perfect. It’s the joke about Nils Borg. It’s I think the formula of ideology today. Nils Borg was visited in a countryside house, that he had by a friend. Above the entrance to the house is a horse shoe, which means it works as a superstitious item preventing evil spirits to enter the house. You must know the story. The friend asked him, “But you are a scientist, do you really believe in this bullshit? Why do you have this there?” Nils Borg answered “I’m not an eingeschränkter Mensch; of course I know this is stupidity, I’m a scientist.” Then the friend asked him “But why do you have it there?” Nils Borg answer was “I don’t believe in it, I’m not an eingeschränkter Mensch. But I have it there, because I was told that it works even if you don’t believe in it.” This is ideology today.

Slavoj Žižek: When people ask me, what do you mean by communism? I like to tell them, Kant. Which Kant? Kant has this wonderful distinction between private and public use of reason. He uses these terms not in our usual sense, but almost in the opposite sense. Private use of reason is for Kant for example ideology law when your reasoning is in the service of some pre-established common good or state institutions or whatever. Public use of reason is precisely what we probably would have considered private use. Public use is when you reason radically questioning everything without the frame of your reasoning or its goal. When your reasoning is free of any pre-established goal or institutional frame, I think that here communism begins. The idea for Kant is that public use of reason is precisely non-corporative in the sense that it pre-supposes a kind of a short circuit between you as an individual in the universal domain. In public use of reason you are universal without this indirection that tour through particular institutions. Why do I begin with this? Because I think that today – by today I mean this latest education reforms in the Western Europe, in the European Union, the usual name for this horror is Bologna reform – that it’s the true target is precisely public use of reason. Why? Some political figures in France who told me – this was three years ago, when cars where burning in Paris’ suburbs – we have enough of this university life where you just deal with your abstract theories; we want universities to produce useful experts. For example he told me; look at the cars burning in Paris’ suburbs. We don’t need any of your abstract theories, we need psychologists who will tell us how to control the crowd, how to prevent violence, we need urban planers who will tell us how to plan the cities so than it’s easy to control the crowd. We need economists to provide jobs for the people. This is expert knowledge. But I claim, and here I am without shame an old European partisan of abstract thinking and metaphysics, I think that this expert thinking is precisely not what true intellectual endeavour work is about, because a true intellectual before getting caught into this answering questions, solving problems posed by others, before doing this, you have to ask – and here intellectual life begins - a more fundamental question which is: What if the very way we formulate a problem what if there is already a mystification. What if the very way we formulate a problem is part of the problem? For example, take today tolerance, fight against sexism or racisms, of course it’s a very real problem - I hope so we were all partisans against this struggle of sexism and racisms. But did you notice something strange how today sexism and racisms are automatically translated into a problem of tolerance. And again this is not self-evident, make a test, go on to the net and search for Martin Luther King and tolerance. You will see that he practically never uses the term tolerance, for him to claim blacks are fighting for more tolerance would be ridiculous. I claim that this perception of for example racist oppression as a question of tolerance already pre-supposes a certain lets call it post-modern, post-political constellation were social problems are silently translated into cultural problems of tolerance.

Slavoj Žižek: This is a very simple example of how the very crucial real problem is the moment this problem is formulated in terms of tolerance is mystified. Here already the work begins. So our struggle for public use of reason should begin here and I think it’s not just Bologna reform. Bologna reform I claim is part of a more global process, where neo-liberal ideology is progressively imposing itself as the hegemonic ideology. What do I mean by this? For example in education, if you are old enough to remember how in the 60s protesting students were demanding the end of these university institutions, generating state ideology and so on. These universities are disappearing, what we are getting now is this kind of permanent half-private self-education. We are getting something much worse which makes me very nostalgic for the old state universities. In the organisation and legitimisation of power did you noticed how more and more at least in the United States and some other countries elections, themselves electoral process, is conceived in terms of commodity exchange, like different parties are like different offers and our voting is like buying? Parties are offering their services - security, economic prosperity - and by voting we are buying the best offer.

Slavoj Žižek äußert sich regelmäßig zur Bedeutung der Finanz- und Wirtschaftskrise und der Protestbewegung Occupy-Wall-Street sowie dem staatlichen Umgang mit ihr. Die Proteste hätten ein Vakuum in der herrschenden Ideologie hinterlassen. In der Sendung „Kulturzeit“ bei 3sat (eine lohnenswerte Buchbesprechung sowie ein Video über seinen Besuch in Frankfurt, unter anderem beim Occupy-Camp vor der Europäischen Zentralbank, findet ihr hier) sagt er: "In der westlichen Welt konnten sich die Menschen bislang einen radikalen Wechsel nicht vorstellen. Sie hoffen es zwar, haben aber Angst davor." Weiter heißt es in dem Beitrag vom 25.11.2011: „Žižek bedient das Bedürfnis nach radikaler Kritik des Bestehenden. Der liberale Kapitalismus suggeriere uns, ohne Ideologie zu leben und frei zu sein. So habe er unsere Träume fest im Griff. Dadurch seien wir unfähig geworden an Alternativen zum Kapitalismus zu denken.“ Für Žižek sei der Kommunismus ein Weg der Erkenntnis, jedoch keine Lösung.

quelle: http://dergestiefeltekater.blogspot.com/" onclick="window.open(this.href);return false;
Je mehr Löcher, desto weniger Käse
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Benutzer 989 gelöscht
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Dez 2011 09 00:24

Re: Slavoj Žižek

Ungelesener Beitrag von Benutzer 989 gelöscht

MOMO hat geschrieben: Auf Seite 23 heißt es zum Thema Finanz- und Wirtschaftkrise: „Aufgabe der herrschenden Ideologie besteht folglich angesichts der aktuellen Krise darin, eine Erzählung zu etablieren, welche die Schuld für den Zusammenbruch nicht dem globalen kapitalistischen System als solchem zuschreibt, sondern lediglich sekundären, zufälligen Abweichungen vom ursprünglichen Plan: der zu lockeren rechtlichen Regulierung, der Korruption in den großen finanziellen Institutionen usw. (..) Die Gefahr besteht also darin, dass sich am Ende eine Erzählung durchsetzt, die uns nicht aufweckt, sondern die es uns ermöglicht weiterzuträumen.“ Sein neustes Werk, "Die bösen Geister des himmlischen Bereichs /
jepp, trifft auf den Punkt!
Frau Angelo Merke hatte diese Erkenntnis aktuell in Marseille? Irgendwie funktionierte Europa am Anfang ganz gut...dann verlor man wohl die Kontrolle....zwei Sätze später wünscht man sich noch 10 x weitere EU-Kandidaten dazu? ja, ja
Der Berliner Wasserkopf mutierte zum europäischen Wasserkopf! Da langt wohl der oberste Gerichtshof nicht mehr, da benötigt man gleich einen Europäischen?

Die aktuelle Frage, ob nun 20 m2 oder 12 m2 für Schwerverbrecher ausreichen...wird wohl auf dem obersten europäischem Gericht austariert? Täterschutz vor Opferschutz, auch in der hohen Finanzwelt! How Bizzarre!

Europa ist bereits im Strudel und hat wohl noch nicht gespannt, dass es bald versinkt! Solange keine einheitliche Sprache ausgehandelt wird, sehe ich pers. "Europa", als gescheitert. Euro hin oder her - Leute kauft Zertifikats-Gold, Diamanten und keine maroden Staatsanleihen!

ps. Arbeiten für Griechenland? ...ja bin ich denn bescheuert!
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