Sloweniens Ausweg aus der Krise

Nationale und internationale Politik

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MOMO
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Dez 2013 03 20:09

Sloweniens Ausweg aus der Krise

Ungelesener Beitrag von MOMO

ein ausführliches Interview der "Welt" mit Frau Bratusek,
klingt gut und ehrlich..ich drück ihr die Daumen, das sie es durchziehen kann!!! Sie kommt mir viel realistischer und ernsthafter rüber als z.B. ein Jansa...

Sloweniens Regierungschefin Alenka Bratušek ist 43 Jahre alt, ebenso ihr Finanzminister Uroš Čufer. Demselben Jahrgang entstammt der Zentralbankpräsident Sloweniens, Boštjan Jazbec. Eine junge Garde kam in diesem Jahr an die Schalthebel Sloweniens, in höchst unruhigen Zeiten. Bratušek übernahm ein Land, das kurz vor einem Hilfsantrag an die EU stand. Sie aber wollte eines unbedingt: Slowenien vor dem Souveränitätsverlust bewahren, der mit Notkrediten droht. Heute, acht Monate nach Amtsantritt, erklärt sie diese Mission für vollbracht.

Die Welt: Frau Premierministerin, Ihr erklärtes oberstes Ziel beim Amtsantritt vor acht Monaten war es, Slowenien ein EU-Hilfsprogramm zu ersparen. Haben Sie das schon endgültig erreicht?

Alenka Bratušek: Ich denke schon. Was wir bisher getan haben, war richtig. Wir wollen wirtschaftlichen Erfolg und soziale Stabilität für Slowenien erreichen. Wir sind dabei gut vorangekommen, aber es gibt noch eine Menge zu tun. In den acht Monaten, in denen ich die Regierung führe, haben wir in einer Art Feuerwehreinsatz die ärgsten Probleme schnell gelöst. Offenbar haben wir das Feuer tatsächlich gelöscht. Jetzt müssen wir eine langfristige Strategie für das Land entwickeln.

Die Welt: Dazu gehören Strukturreformen, mit denen sich ihre Vorgänger nicht besonders hervorgetan haben. Werden die Maßnahmen schmerzhaft sein?

Bratušek: Wir planen eine Gesundheitsreform und eine Rationalisierung des öffentlichen Sektors. Aber wir haben in den vergangenen Jahren schon 200 Millionen Euro bei staatlichen Transferleistungen gespart, ohne dass Menschen dadurch in Schwierigkeiten geraten sind.

REGIERUNGSCHEFIN
Alenka Bratušek
Hauptaufgaben
Die Welt: Das sind Maßnahmen, die sie mit ihren linken Koalitionspartnern durchsetzen müssen – und erst einmal bei ihnen. Wie überzeugen Sie sie?

Bratušek: Bisher haben wir immer eine Einigung gefunden, wenn es ernst wurde, wenn es wichtig war für Slowenien. Wenn wir aus den Schwierigkeiten kommen wollen, müssen wir zusammenarbeiten. Einfach ist es nicht.

Die Welt: Hält der Kampf gegen den Einmarsch der Troika die Koalition zusammen?

Bratušek: Das kann man so sehen. Die Troika wäre nicht in der Lage gewesen, die Dinge durchzusetzen, die wir angepackt haben.

Die Welt: Ihr Vorgänger Janez Janša plädiert offen für ein EU-Hilfsprogramm. Was antworten Sie ihm?

Bratušek: Wir müssen die Staatsfinanzen konsolidieren, aber ich will selbst entscheiden, wie wir das tun: also zum Beispiel über die Immobiliensteuer, die wir einführen wollen, anstelle von Rentenkürzungen. Wir sind diejenigen, die den Slowenen erklären müssen, was wir tun und warum Einschnitte nötig sind. Die Gentlemen von der Troika kämen an, gäben Anweisungen und gingen wieder. Wir wissen selbst genau, was zu tun ist.

Die Welt: Warum musste die Not erst so groß werden, bis Slowenien spart und reformiert?

Bratušek: 2006 und 2007 hatten wir in Slowenien tatsächliches hohes Wirtschaftswachstum. Damals hätten wir im öffentlichen Sektor und im Wohlfahrtssystem sparen sollen. Die Gelegenheit hat man verstreichen lassen. Es gab in der Vergangenheit viele Fehler, aber wir schauen jetzt nicht zurück, sondern machen uns in kleinen Schritten auf in die Zukunft.

Die Welt: Damals waren Sie noch Spitzenbeamtin im Finanzministerium und weit von einer so steilen Karriere entfernt. Was hat dazu bewogen, in die Politik zu gehen?

Bratušek: Vor zwei Jahren habe ich für das Parlament kandidiert. Seit 20 Jahren waren die Gesichter der Politik immer dieselben, fast alle Männer übrigens. Nicht nur ich dachte, es sei Zeit für neue Gesichter.

Die Welt: Dass Sie eine Frau sind, machte es das schwieriger sich durchzusetzen?

Bratušek: Manchmal war es von Vorteil, eine Frau zu sein. Aber es stimmt, wir haben es nicht leicht, auf EU-Gipfeln etwa sind wir nur vier Frauen.

Die Welt: Fühlen Sie sich untereinander besonders verbunden?

Bratušek: Ja, das tun wir. Wir sollten noch enger zusammenarbeiten, um zu zeigen, dass die Zukunft weiblich ist – wie auch das Wort "Zukunft", im Deutschen wie im Slowenischen. Besonders Angela Merkel und ich haben ein sehr offenes Verhältnis zueinander.

Die Welt: Über Parteigrenzen hinweg, Sie als Sozialdemokratin, die Bundeskanzlerin als Christdemokratin?

Bratušek: Das spielt da keine Rolle. Erstens sind wir Frauen, und wir schauen anders auf die Welt als die Männer. Keine von uns beiden macht große Worte. Wir sind beide sehr direkt und schätzen kein großes Taktieren im Gespräch, das wir untereinander regelmäßig suchen.

Die Welt: Sie waren gerade in Deutschland für eine Investorenkonferenz. Was erwarten Sie vom Privatisierungsprogramm ihres Landes?

Bratušek: Wir verkaufen zurzeit 13 Unternehmen und eine Bank. Mir ist es wichtig, dass wir strategische Partner finden, die ein Unternehmen weiterentwickeln, die langfristiges Interesse haben. Sie müssen einen ordentlichen Entwicklungsplan für die Firmen haben, die wir verkaufen. Jedes interessierte Unternehmen kann sich beteiligen, wenn es diese Bedingungen erfüllt.

Die Welt: Wie sieht Ihr Zeitplan aus?

Bratušek: Ende kommenden Jahres sollen die meisten Verkäufe aus dem ersten Privatisierungspaket abgeschlossen sein. Bis Ende Dezember dieses Jahres oder Anfang des nächsten stellen wir zudem die Strategie zur Verwaltung der restlichen Unternehmen vor, an denen der Staat Anteile hält. Dann werden wir genau sagen, was ist strategisch, was verkaufen wir als Ganzes, was nur zu höchstens 50 Prozent. Wir werden öffentliche Ausschreibungen machen, alles wird sehr transparent und klar sein.

Die Welt: Wenn Sie viel auf einmal losschlagen, könnte das zu sinkenden Preisen führen. Was tun sie dagegen?

Bratušek: Uns wurde ja immer vorgeworfen, wir wären zu langsam, zu spät dran mit der Privatisierung. Darum gehen wir in diesen zwei Schritten vor. Wir wollen zeigen, dass wir bereit sind, ausländische Investoren ins Land zu lassen. Aber eines will ich betonen: Wir sind nicht auf diese Einnahmen angewiesen, um das Defizit zu senken. Das schaffen wir auch ohne. Sie werden nicht anstelle von Ausgabenkürzungen verwendet. Wir werden das Geld ausschließlich verwenden, um Staatsschulden abzubauen.

Die Welt: Waren Sie zufrieden mit den 250 Millionen Euro, die Sie für den Lackhersteller Helios beim Verkauf schon erlöst haben?

Bratušek: Das war ein guter Preis. Ein sehr guter Preis, weil wir einen strategischen Partner gefunden haben.

Die Welt: Die erste Privatisierungsrunde in Slowenien war kein Erfolg. Was machen Sie anders?

Bratušek: Die Privatisierungsprozesse der Vergangenheit waren schlecht. Damals haben wir nicht an Ausländer verkauft, sondern an Manager. Diese Firmen haben heute Schwierigkeiten, sind oft hoch verschuldet. Wir müssen schnell zeigen, dass eine ausländische Firma ein guter Besitzer sein kann. Was die Slowenen jetzt sehen wollen und wir auch, das ist die Transparenz dieses Prozesses. Es darf keine Korruptionsvorwürfe geben, mit denen werden wir aufräumen.

Die Welt: Ihre zweite akute Baustelle sind die Banken, im Dezember sollen die Ergebnisse eines Stresstests kommen. Sie rechnen mit 1,2 Milliarden Euro Rekapitalisierungskosten. Die Ratingagentur Fitch geht vom fast Vierfachen aus. Was tun Sie, wenn sich der Bedarf eher daran orientiert?

Bratušek: Zu diesem Zeitpunkt hat unser Staat mehr als fünf Milliarden Euro auf dem Konto, deswegen sind wir mit Sicherheit in der Lage, auch mehr als 1,2 Milliarden Euro selbst zu tragen. Wichtiger als Zahlenspekulationen ist aber, dass wir nach den Stresstests ein sauberes Bild des Zustandes unserer Banken haben. Der zweite wichtige Punkt: Die Stresstests werden im nächsten Jahr ja alle wichtigen europäischen Banken durchführen müssen. Ich bin nicht der einzige Regierungschef, der sich zurzeit mit den Banken beschäftigt.

Die Welt: Und Sie wollen die Rekapitalisierung schon abgeschlossen haben, wenn die anderen sich erst daran wagen?

Bratušek: Unsere Banken werden im nächsten Jahr im besten Zustand sein, weil wir die zusätzliche Kapitalisierung bis Ende dieses Jahres abgeschlossen haben werden.

Die Welt: Ist das Schlimmste für Ihr Land vorbei?

Bratušek: Das Schlimmste ist hinter uns, aber es dauert noch eine Weile, bis alles so gut ist, wie es sein sollte. Es ist viel was gewonnen, auch wenn wir in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr zu den Problemfällen zählen, und das belegen die jüngsten Berichte der EU-Kommission. Unsere Wirtschaftsdaten sind in mancher Hinsicht besser als EU-Durchschnitt. Unsere Staatsverschuldung ist unter dem EU-Durchschnitt und niedriger als in Deutschland. Auch in der Arbeitslosigkeit sind wir unter EU-Durchschnitt, die Exportrate ist höher und die Lage ist nicht so schwarz wie oft dargestellt.

Die Welt: Die Jugendarbeitslosigkeit in Slowenien ist dennoch hoch.

Bratušek: In der zweiten Jahreshälfte 2012 ist die Jugendarbeitslosigkeit in Slowenien von 17 auf 24 Prozent gestiegen. In diesem Jahr haben wir den Trend gestoppt, eine Umkehr ist uns aber bisher leider nicht gelungen. Es gibt nur zwei Länder in Europa, die keine Schwierigkeiten mit der Jugendarbeitslosigkeit haben, das sind Deutschland und Österreich. Wir reden bei jedem EU-Gipfel darüber.

Die Welt: Eine "Jugendgarantie" kam dabei heraus, das Versprechen, jeden binnen Monaten in Arbeit oder Ausbildung zu bringen. Wie viel ist dieses Versprechen wert?

Bratušek: Auf Europäischer Ebene müssen wir sicherstellen, dass die Jugendgarantie kein leeres Versprechen an die junge Generation bleibt. Bis Ende des Jahres müssen wir konkrete Maßnahmen entwickeln. Europa sollte den Jungen die Hoffnung zurückgeben, die sie in den vergangenen Jahren verloren haben.


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MOMO
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Dez 2013 07 20:03

Re: Sloweniens Ausweg aus der Krise

Ungelesener Beitrag von MOMO

Realitäten zur Problemlösung:

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Benutzer 989 gelöscht
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Dez 2013 09 15:25

Re: Sloweniens Ausweg aus der Krise

Ungelesener Beitrag von Benutzer 989 gelöscht

MOMO hat geschrieben: Bratušek: Bis Ende des Jahres müssen wir konkrete Maßnahmen entwickeln. ]
da werden die Jugendlichen wohl in Schulen gepfercht, damit diese von der Statistik..ähm Straße
weg sind? Für die Chronik schön, aber wenig effektive
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France Prešeren
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Dez 2013 11 21:32

Re: Sloweniens Ausweg aus der Krise

Ungelesener Beitrag von France Prešeren

War und ist doch in Deutschland nichts anderes. Als die SPD mit Schröder erstmals an die Macht kam, war ich gerade bei der Bundeswehr. Wie kann man nun am schnellsten die Jugendarbeitslosigkeit drücken, damit sich die SPD das auf die Fahnen schreiben kann?

Ganz einfach, jeder, der nach der Wehrdienstzeit arbeitslos geworden wäre, konnte die Wehrdienstzeit auf bis zu 23 Monate verlängern. Nirgendwo wird so beschissen wie bei den Arbeitslosenzahlen. Immer mehr Menschen landen per Definition nicht mehr in der Statistik, obwohl sie schlicht und ergreifend keinen Job haben. Hauptsache es steht keine 5 ganz vorne in der absoluten Zahl.
Nazadnje še, prijatlji,kozarce zase vzdignimo,ki smo zato se zbrat'li,ker dobro v srcu mislimo.
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Benutzer 989 gelöscht
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Dez 2013 11 22:41

Re: Sloweniens Ausweg aus der Krise

Ungelesener Beitrag von Benutzer 989 gelöscht

France Prešeren hat geschrieben: Ganz einfach, jeder, der nach der Wehrdienstzeit arbeitslos geworden wäre, konnte die Wehrdienstzeit auf bis zu 23 Monate verlängern. .
Wir hatten auch paar Müllitaristen, die dann verlängerten. Keiner hing es groß an die Glocke. Als es schon 3 Monate vor dem
großen Müllitärende zum kolletktiven Aussscheider-Hütebau kam...waren diverse Kollegen berraschend immer leicht krank.
Später stellte sich heraus, dass diese dann doch verlängerten, ... auf Staatskosten.

Oder die Telekom, Bahn bildete Tausende aus, liess diese aber in die freie Wirtschaft.
In Frankreich, Italien ist es oft nicht besser. Wir hatten "Fachmänner" aus Frankreich, Italien, Türkei, usw.
Vorteil: viel Theorie, da oft zu 100% verschult . Praxis: oft 0 Ahnung.

Slowenien sollte Azubis im Dualsystem finanziell supporten. Sonst laufen noch gute Fachmänner, - Frauen in das
Ausland ab, wie gerade in Spanien, Italien, usw. wäre schade darum; sonst nur noch berg-ab...
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Dez 2013 11 23:34

Re: Sloweniens Ausweg aus der Krise

Ungelesener Beitrag von MOMO

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Tom
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Dez 2013 12 20:58

Re: Sloweniens Ausweg aus der Krise

Ungelesener Beitrag von Tom

Triglav hat geschrieben:
da werden die Jugendlichen wohl in Schulen gepfercht, damit diese von der Statistik..ähm Straße
weg sind? Für die Chronik schön, aber wenig effektive
So ist es. Es werden nicht Arbeitsplätze geschaffen, sondern sog. Maßnahmen. In solche werden dann Langzeitarbeitslose, schwer vermittelbare, Schulabgänger usw. "gesteckt", und schwupps.... sie erscheinen in keiner Statistik mehr.
Irgendwann hat man dann ein Heer von umgeschulten Theoretikern, die noch schwerer vermittelbar sind, weil überqualifiziert und somit teuer.
Andererseits.... was kann man denn effektiv tun ? :ueberleg: Ganz schwer... :gruebel: gaaaanz schwer....
Manche Leute drücken nur ein Auge zu, damit sie besser zielen können.
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Dez 2013 28 00:13

Re: Sloweniens Ausweg aus der Krise

Ungelesener Beitrag von MOMO

Ein Interview vom 23.12.2013 mit dem zurückgetretenen Chef der Antikorruptionsbehörde!
ich weiß, es ist lang...und man bekommt das fürchten, wie er es am Ende ausdrückt, aber so läuft es in Slowenien..solche Sachen kommen bei Weihnachtsbesuchen nicht rüber, deswegen ist es vielleicht für die "Deutsch-Slowenen" besonders interessant, die manche dinge nicht immer so glauben wollen... :wink: ..wenn man nicht wüßte, über welches Land gesprochen wird, könnte man vlt. an Somalia oder die Elfenbeinküste denken...aber :nurnicht: :nurnicht:

"Die Politiker kommen zurück wie Bumerangs"

STANDARD: Sie haben Ihren Rücktritt vor einem Monat einen Weckruf genannt. Aber ist nun irgendwer aufgewacht?

Klemenčič: Es war sicherlich die härteste Entscheidung, die wir getroffen haben. Das Urteil steht noch aus, ob das zu einer Verbesserung oder Verschlechterung führen wird. Es gab auch viele Leute, die gesagt haben: Ihr schmeißt die Flinte ins Korn und lauft davon. Aber es ist das Verantwortungsvollste, was man tun kann, wenn man verschiedene Strategien ausprobiert und alles genutzt hat, was im rechtlichen und institutionellen Rahmen möglich ist und wenn man sieht, dass sich nichts verbessert. Wenn man dann bleibt, dann ist das eine Augenauswischerei. Das ist auch nicht fair gegenüber den Leuten, die uns mehrheitlich vertrauen, dass sich die Dinge ändern können. Es ist ein interessantes Jahr hinter uns, das mit öffentlichen Unruhen begann und der Enthüllung von Korruptionsfällen, die in Verbindung mit bedeutenden Politikern stehen. Dem folgte ein riesiger Korruptionsskandal in den staatlichen Banken, zu dem jetzt die auswärtigen Prüfer der EU-Kommission das gesamte Loch gezeigt haben, nämlich vier Milliarden Euro, was fast der Hälfte des Budgets entspricht. Wir haben am Anfang dieses Jahres begonnen die strukturelle Korruption ernsthaft zu besprechen. Doch es wurde nichts oder nur sehr wenig getan. Die Angelegenheit wurde völlig politisiert. Also haben wir uns überlegt, wo wir in einem Jahr sein können, welchen Mehrwert können wir bringen. Und es ist offensichtlich und transparent geworden, dass wir noch einige Politiker an den Pranger stellen können, aber die kommen immer wieder zurück. Die sind wie Bumerangs. Im Wesentlichen ändern sich die Dinge nicht. Das Einzige, was das ändern kann, ist ein neuer politischer Konsens.

STANDARD: Also Sie hoffen noch auf so einen Konsens?

Klemenčič: Ja, nicht unbedingt unter den Politikern, aber unter jenen, die die öffentliche Meinung bilden, unter Experten und Akademikern. Als wir zurückgetreten sind, haben wir von vielen wichtigen Leuten gehört, dass wir weiter machen sollten, weil dies so wichtig sei. Und ich bin ehrlich: Wir haben gesagt: Wo ward ihr in den vergangenen drei Jahren? Wenn man glaubt, dass etwas für das Land wichtig und nicht nur eine Angelegenheit von ein paar "faulen Äpfeln" ist, sondern strukturell ist und jemand Einfluss hat auf die öffentliche Meinung oder Forschung betreiben kann, dann sollte man vorher seine Meinung sagen. Ich weiß nicht ob Sie diese Paradoxon verstehen, aber das es sehr präsent in Slowenien: Die Leute stimmen zu, dass die Korruption strukturell ist, aber sie würden gerne haben, dass andere Leute, das Problem für sie lösen.

STANDARD: Und die Leute identifizieren sich mit Politikern unter Korruptionsverdacht, wie etwa mit dem Bürgermeister von Ljubljana, Zoran Janković.

Klemenčič: Absolut. Man hat uns immer nach Namen, Namen, Namen gefragt. Das Problem ist: Es geht um fast alle von uns. Wir wurden von jenen Politikern gefragt, die Namen von korrupten Leuten zu nennen, die selbst Gesetze verabschiedet haben, die die Korruption ermöglichen. Wir wurden von Journalisten danach gefragt, die vor einigen Jahren denselben Politikern applaudiert haben. Wir wurden von Bürgern danach gefragt, die wegen der Korruption in der Regierung stinksauer waren, aber die alle fünf Jahre dieselben korrupten Männer wählen. Die Situation mit der Korruption in Slowenien ist ein wenig wie mit globaler Erderwärmung: Alle glauben, dass das ein ernsthaftes Problem ist, das die Zukunft unserer Kinder beeinflussen wird, aber sie glauben auch, dass irgendwer anderes das Problem lösen muss und nicht „wir". Also fahren wir ab und zu mit dem Rad zur Arbeit, damit wir uns gut fühlen, aber wir machen nichts Ernsthaftes.

STANDARD: Die Leute profitieren ja von diesem korrupten System. Schließlich bekommen sie Jobs von diesen Parteien oder soziale Sicherheiten.

Klemenčič: Natürlich. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Etwa mit der Korruption im Bankensektor. Wir haben so schwer daran gearbeitet, die Dinge weiter zu bringen. Wir haben oft das Beispiel der Hypo genommen, zumindest in der Hinsicht, wie die Dinge untersucht werden können. Trotz allem, war das ein gutes Beispiel und das System hat begonnen, zu funktionieren. Aber in Slowenien haben wir das nicht zustande gebracht. Und jetzt, wo die Zahlen herauskamen, haben alle den Kopf von ein paar Bankern gefordert. Aber die Situation ist komplexer. Ich habe kürzlich bei einer Zusammenkunft von Richtern und Experten gesprochen und gesagt: Wir haben in so viele Akten von faulen Krediten geschaut und die Kreditausschüsse, die Geschäftsführer, die Mitglieder des Aufsichtsrats sollten dafür verantwortlich gemacht werden. Aber fast alle dieser Kreditpläne beinhalten eine beglaubigte Begutachtung von Vermögen, die gefälscht wurden, die aber von Experten unterschrieben wurden. Was ich sagen will: Es ist ein System, von dem alle ein bisschen profitieren. Vielleicht nicht alle, aber viele. Und mit unserem Schritt wollten wir sagen: Bis wir wirklich sagen, dass wir eine andere Gesellschaft wollen, werden sich die Dinge nicht ändern. Wir können zwanzig Agenturen und zwanzig Kommissionen haben, es kann nicht gelöst werden, wenn so viele Menschen daran teilhaben. Wir sprechen von einer inzestuösen Beziehung zwischen Politikern, Individuen, Medien und Unternehmen im Staatsbesitz.

STANDARD: Sie haben in Ihrem Rücktrittsstatement die "stille Allianz" der Parteien erwähnt, die effiziente Anti-Korruptionsgesetzgebung verhindern. Was fehlt im Gesetzesbereich?

Klemenčič: Vor allem jene Bereiche, die für die strukturelle Korruption wesentlich sind. Bei struktureller Korruption geht es nicht um direkte Bestechung oder direkte Veruntreuung, es geht um Lobbying, Interessenskonflikte, Nepotismus und Protektion. Das sind keine Verbrechen in Slowenien und auch in Österreich in den meisten Fällen nicht. Aber das sind trotzdem Verstöße, für die die Leute zur Rechenschaft gezogen werden sollten, entweder durch politische Mittel oder durch zivile Einbussen. Und in der Gesetzgebung ist das extrem unterentwickelt. Ein Beispiel: Im Jänner haben wir den nicht erklärbaren Reichtum von zwei bedeutenden Politikern dargestellt. Jetzt nach fast zwölf Monaten, haben wir sechs Entscheidungen von Gerichten, weil wir geklagt wurden. Diese Gerichtsentscheidungen besagen, dass das was wir getan haben, legal und richtig war. Aber weder wir, noch die Gerichte haben die Macht, dieses Vermögen zu konfiszieren. Wir sind in einer bizarren Situation, wo die Meinung der Antikorruptionsbehörde von den Gerichten bestätigt wird, aber es keine Sanktionen gibt. Zu der „stillen Allianz": Wir sind die einzige staatliche Institution, die auch dem Parlament rechenschaftspflichtig ist. Aber in den vergangenen drei Jahren hat es das Parlament nicht einmal zustande gebracht, unsere Jahresberichte zu diskutieren. Durch prozesstechnische Manipulationen, wurden die Berichte auf der Ebene der Ausschüsse gehalten.

STANDARD: Blockieren das alle Parteien?

Klemenčič: Nicht alle. Aber ab dem Zeitpunkt wo wir gegen zwei Politiker vorgegangen sind, einer von der Seite und einer von der anderen, wurde diese „stille Allianz" geschaffen. 70 Prozent des Parlaments blockiert.

STANDARD: In den vergangenen Monaten gab es eine große Kampagne gegen Sie und gegen die Antikorruptionsbehörde in Slowenien, die von Organisationen, die dem früheren Premier Janez Janša, nahe stehen, ausging. Es ging darum, die Arbeit der Antikorruptionsbehörde zu diskreditieren. Am Ende gab es sogar eine Resolution der Europäischen Volkspartei (EPP), die sich kritisch gegenüber der slowenischen Justiz äußerte und Janša Rückendeckung gab.

Klemenčič: Manche Zeitungen können nicht einmal wöchentlich erscheinen, wenn nicht einer unserer Namen darin vorkommt. Aber wir haben ein Immunsystem dagegen entwickelt. Ein großer Teil der erheblich politisch beeinflussten Medien stand im vergangenen Jahr mit sehr konzentrierten Attacken in Verbindung, was manchmal persönlich hart durchzustehen ist. Ein Teil kommt vom Janša-Lager. Das ist sehr transparent, obwohl es viel Zeit beansprucht, insbesondere wenn die auf der internationalen Szene auftreten. Aber es gibt auch die von der linken Seite, die subtiler vorgehen, das ist nicht so politisch, aber indirekt. Wenn die Verleumdungen von jenen kamen, die noch immer politische Ämter inne haben, oder die früher Minister oder frühere Parlamentspräsidenten waren, haben wir Prozesse angestrengt. Aber auch das wurde wieder gegen uns verwendet und gesagt, dass wir die Meinungsfreiheit ersticken würden. Die Medien sowie die Politik in Slowenien sind extrem auseinander gespalten, viel mehr als in Österreich. Und das läuft über persönliche Linien. Wir sind in einem permanenten Krieg über die Interpretation der Geschichte und der Zukunft. Und wir haben bedeutende Spieler in der Politik – einer wurde in erster Instanz wegen eines bedeutenden Korruptionsfalls verurteilt und der Bürgermeister von Ljubljana steckt in einem Bündel von Untersuchungen– deren einziger Weg zurückzuschlagen ist, die Glaubwürdigkeit der Untersuchungsinstitutionen und der Berichte zu unterminieren. In der politischen Klasse gibt es den Wert der Vernunft einfach nicht. Der Präsident der Republik war der einzige, der versucht hat, zu sagen, dass die Institutionen und die Rechtsstaatlichkeit respektiert werden sollen, auch wenn man damit nicht übereinstimmt. Wenn der Verfassungsgerichtshof eine Meinung vertritt, die irgendjemand politisch nicht mag, werden keine Expertenmeinungen vorgebracht, sondern die Meinungen beziehen sich auf die Person. Und wenn ein bestimmter Staatsanwalt etwas macht, kann er sicher sein, dass es am nächsten Tag eine persönliche Kampagne geben wird. In diesem Sinn sind wir sehr stark wie Italien. Und das ist so traurig. Wir waren nicht daran gewohnt. Wir kommen von einer anderen kulturellen Umgebung. Wir haben uns so weit von der deutschen Idee von Rechtsstaatlichkeit entfernt.

STANDARD: Aber was ist da passiert? Es handelt sich um eine Atmosphäre des Misstrauens und der Verschwörungstheorien.

Klemenčič: Genau, das Land wird davon bestimmt. Und das Paradoxe daran ist, wir und die Gerichte wurden so stark von der Linken und von der Rechten attackiert, gleichzeitig unterstützen die Leute diese Institutionen und gleichzeitig wählen sie diese Politiker. Das zeigt nur, dass das Land nicht nur in einer wirtschaftlichen, aber auch in einer moralischen Krise ist. Das einzige was ich weiß, ist, dass, wenn wir nicht zurückgetreten wären, wir nicht mehr in der Lage gewesen wären, mehr für unsere Mission für Integrität, Rechtsstaatlichkeit und Rechenschaftspflicht zu tun.

STANDARD: Zeigt die Situation auch den Mangel an Medienfreiheit in Slowenien?

Klemenčič: Es zeigt eher die Qualität, die Instrumentalisierung, die Oberflächlichkeit der Medien. Die Medien haben viel über die Skandale berichtet, die wir oder die Staatsanwaltschaft aufgenommen haben, aber es gab keine Folgeberichterstattung. In Slowenien gibt es noch dazu einen großen Teil von staatlichen Unternehmen, die hoch politisiert sind und diese staatlichen Unternehmen gehören zu den wichtigsten Anzeigenkunden für die Medien. Also auch wenn es nicht individuelle Journalisten tun, so machen doch Redakteure oder die Inhaber Selbstzensur. Das ist ein Teufelskreis.

STANDARD: Hängen Medien besonders in Zeiten der Krise von diesen Kunden ab?

Klemenčič: Ganz besonders. Und wenn mit einem Telefonanruf jemand aus der Regierung über den Direktor der Telekom oder des größten Erdöl- oder Bahnunternehmens - welche große Anzeigenkunden sind- Werbeeinschaltungen in einer bestimmten Zeitung stoppen kann, dann weiß man, dass es ein Problem gibt.

STANDARD: Der Bürgermeister von Ljubljana, Zoran Janković von der Regierungspartei „Positives Slowenien" ist trotz Korruptionsvorwürfen nicht zurückgetreten. Es gab weniger Druck in der Öffentlichkeit. Was funktioniert hier nicht? Ist die Justiz zu langsam in seinem Fall? Und ist das einer der Gründe, weshalb Sie so frustriert wurden?

Klemenčič: Unsere Strafjustiz hat ernsthafte Probleme, weniger mit Fairness und Qualität, aber mit Geschwindigkeit. Und die Vorgehensweise im Fall Janković hatte großen Anteil an unserer Frustration. Ich gebe Ihnen ein Beispiel, das Sie schnell verstehen werden. Am selben Tag, als ein österreichisches Mitglied des Europäischen Parlaments vor einigen Jahren einen Verstoß begangen hat, hat das auch einer unserer EU-Parlamentarier getan: Der Fall in Österreich ist in erster Instanz beendet, etwa vor einem halben Jahr und er wurde verurteilt. In Slowenien wurden nicht einmal die Untersuchungen beendet, es gab noch keine einzige Gerichtsverhandlung. Und ich habe damals gesagt: Das ist ein Test für die Strafjustiz in Slowenien, weil es wie ein Parallelslalom ist. Wir sind zur selben Zeit wie die Österreicher gestartet und wir werden sehen, wer zuerst zur Ziellinie gelangt. Das Bizarre ist, wir reden hier nicht über Monate die zurückliegen, sondern über Jahre.

STANDARD: Aber in Österreicher wird der Fall gegen Ernst Strasser wieder aufgerollt.

Klemenčič: Ich weiß. Ich sage ja nicht, dass alle verurteilt werden sollen, sondern dass es einen gerichtlichen Abschluss geben soll. Das Schlimmste ist: Wir haben nicht einmal ein Urteil in erster Instanz gehabt. Wenn es keine Abschlüsse gibt, hat das zwei schlechte Auswirkungen: Einige Leute, die unschuldig sind, müssen dauernd unter dem Verdacht, oder dem Damoklesschwert leben, in einem Prozess zu sein, der niemals endet. Und auf der anderen Seite, ermöglicht dies jenen, die schuldig sind, sich auf die Unschuldsvermutung zu berufen und in der Verwaltung oder in der Politik zu bleiben wegen der Langsamkeit des Systems.

STANDARD: Sie die Untersuchungen rund um das Thermo-Kraftwerk TEŠ6 beendet?

Klemenčič: Es gibt Untersuchungen von der Staatsanwaltschaft, der Polizei und uns. Unserem Rücktrittsstatement folgte ein Brief mit einer Liste mit 15 konkreten Punkten. Bei den ersten beiden Punkten ging es darum, eine öffentliche Untersuchung im Fall TEŠ und der Bad Bank zu beginnen. Das wird Jahre dauern. Es geht um ein systematisches Problem: Man kann nicht sagen, dass zwei, drei Leute die Kriminellen sind, die das gemacht haben. Deshalb haben wir nach etwas gefragt, was es in Island und Irland gibt: Öffentliche Untersuchungen und Verhandlungen. Wir haben Unterstützung vom Präsidenten des Parlaments und der Republik, dass dies stattfinden könnte. Aber wir haben Angst, dass viel geredet wird und nichts passiert.

STANDARD: Gibt es Unterstützung von der Zivilgesellschaft?

Klemenčič: Das ist schwierig zu definieren. Die Leute sind empathisch. Es gibt Druck, aber es ist kein konzentrierter Druck. Die Leute verlieren den Kampf gegen schmutzige Politik überall in Europa. Die meisten Leute haben die Energie nicht mehr. Ich nehme an, dass es schlimmer werden muss, bevor es besser wird.

STANDARD: Das Hauptproblem in der Justiz ist, dass sie zu langsam ist?

Klemenčič: Ja, obwohl die Justiz, die Staatsanwaltschaft und Polizei besser arbeiten. Aber es ist weit weg vom Optimalen. Und jetzt gibt es auch einen Rückschlag. Als die begonnen haben so zu arbeiten, wie wir, wurden sie attackiert. Das ist dieser Mangel an politischer Kultur.

STANDARD: Was werden Sie nach ihrem Job im kommenden März machen? Wissen Sie das bereits?

Klemenčič: Nein und meine beiden Kollegen wissen das auch nicht. Das Einzige ist - und das haben wir auch in der Öffentlichkeit gesagt-: Keiner von uns geht in die Politik. Wir werden im selben Bereich, aber in einer anderen Form arbeiten.

STANDARD: Obwohl Sie so populär sind. Sie könnten einfach ein Politiker werden.

Klemenčič: Wir wollen das nicht. Wir haben gesehen, wie die Politik läuft. Es ist wichtig in der Politik zu sein, um etwas zu ändern. Aber das ist definitiv nicht die Zeit dafür. Wir werden in der Zivilgesellschaft arbeiten. Bizarrerweise kann man ja freier sprechen, wenn man außerhalb der Institutionen ist. Als Chefkommissar einer respektablen Institution habe ich sehr oft meine Zunge bewachen müssen. Und ich werde das nicht mehr tun, wenn ich frei sein werde.

STANDARD: Warum identifizieren sich die Bürger in Europa mit diesen korrupten Leuten? Warum applaudieren Rumänen etwa einem Bürgermeister, der im Gefängnis sitzt? Da geht es nicht nur um ein rechtliches Problem, sondern um ein moralisches, oder?

Klemenčič: Europaweit verlieren wir an Boden, was Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eigentlich bedeuten und wir müssen zurückgehen und bedenken: Europa hat diese Rechtsstaatlichkeit und den moralischen Anspruch auf Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung nach dem zweiten Weltkrieg gebildet. Und jetzt haben wir das vergessen und weshalb das so wichtig ist. Wenn die Leute einem Bürgermeister, der im Gefängnis sitzt, applaudieren, heißt das, dass sie den Institutionen nicht vertrauen, die diesen ins Gefängnis gebracht haben. Und das ist gefährlich. Die Leute haben kein Vertrauen in demokratische Institutionen und in rechtsstaatliche Institutionen. Und wo uns das hinführt? Es ist zum Fürchten.
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Tom
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Dez 2013 29 15:35

Re: Sloweniens Ausweg aus der Krise

Ungelesener Beitrag von Tom

Schöne Vorsätze, gut gesprochen, die Wahrheit erkannt und dennoch ohnmächtig daneben stehen müssen.

Wie sagte schon Goethe treffend:
"Wer am Zoll sitzt, ohne reich zu werden, ist ein Dummkopf."
Klemenčič:
Wir haben in so viele Akten von faulen Krediten geschaut und die Kreditausschüsse, die Geschäftsführer, die Mitglieder des Aufsichtsrats sollten dafür verantwortlich gemacht werden. Aber fast alle dieser Kreditpläne beinhalten eine beglaubigte Begutachtung von Vermögen, die gefälscht wurden, die aber von Experten unterschrieben wurden. Was ich sagen will: Es ist ein System, von dem alle ein bisschen profitieren. Vielleicht nicht alle, aber viele.
Solange die "richtigen" Leute profitieren, wird es schwer etwas zu ändern. Dazu einer gewissen Schicht im Volk ein paar Zuckerl (Vergünstigungen, Abschreibungsmöglichkeiten, Steuervorteile.. etc) zukommen lassen, und schon hat man eine Wählerschicht, die einen auch wieder auf den Thron wählt.
Der Rest jammert und schluckt die bittere Kröte.
Manche Leute drücken nur ein Auge zu, damit sie besser zielen können.
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Benutzer 989 gelöscht
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Dez 2013 29 17:09

Re: Sloweniens Ausweg aus der Krise

Ungelesener Beitrag von Benutzer 989 gelöscht

http://derstandard.at/1385172243344/Die ... -Bumerangs" onclick="window.open(this.href);return false;
MOMO hat geschrieben:Ein Interview vom 23.12.2013
STANDARD: Zeigt die Situation auch den Mangel an Medienfreiheit in Slowenien?

Klemenčič: Es zeigt eher die Qualität, die Instrumentalisierung, die Oberflächlichkeit der Medien. Die Medien haben viel über die Skandale berichtet, die wir oder die Staatsanwaltschaft aufgenommen haben, aber es gab keine Folgeberichterstattung. In Slowenien gibt es noch dazu einen großen Teil von staatlichen Unternehmen, die hoch politisiert sind und diese staatlichen Unternehmen gehören zu den wichtigsten Anzeigenkunden für die Medien. Also auch wenn es nicht individuelle Journalisten tun, so machen doch Redakteure oder die Inhaber Selbstzensur. Das ist ein Teufelskreis.
wenn man das slow. TV-Programm mal verfolgt, hat man schon den Eindruck, dass man die Leute dort eher nur
unterhalten möchte ( Entertainment )
Kritische Berichterstattungen erhält man kaum. Diverse Verwandte schauen daher kaum noch slow. TV, weil nur
..lt. Aussage, Mist gesendet wird. Wer anderen Sprachen mächtig ist...schaltet um, dank SATelit.

---
MOMO hat geschrieben:Ein Interview vom 23.12.2013
STANDARD: Der Bürgermeister von Ljubljana, Zoran Janković von der Regierungspartei „Positives Slowenien" ist trotz Korruptionsvorwürfen nicht zurückgetreten. ....
Klemenčič: Unsere Strafjustiz hat ernsthafte Probleme, weniger mit Fairness und Qualität, aber mit Geschwindigkeit. ....

---
STANDARD: Das Hauptproblem in der Justiz ist, dass sie zu langsam ist?

Klemenčič: Ja, obwohl die Justiz, die Staatsanwaltschaft und Polizei besser arbeiten. Aber es ist weit weg vom Optimalen. Und jetzt gibt es auch einen Rückschlag. Als die begonnen haben so zu arbeiten, wie wir, wurden sie attackiert. Das ist dieser Mangel an politischer Kultur.

---.
STANDARD: Was werden Sie nach ihrem Job im kommenden März machen? Wissen Sie das bereits?

Klemenčič: Nein und meine beiden Kollegen wissen das auch nicht. Das Einzige ist - und das haben wir auch in der Öffentlichkeit gesagt-: Keiner von uns geht in die Politik. Wir werden im selben Bereich, aber in einer anderen Form arbeiten.

----
STANDARD: Obwohl Sie so populär sind. Sie könnten einfach ein Politiker werden.

Klemenčič: Wir wollen das nicht. Wir haben gesehen, wie die Politik läuft. Es ist wichtig in der Politik zu sein, um etwas zu ändern. Aber das ist definitiv nicht die Zeit dafür. Wir werden in der Zivilgesellschaft arbeiten. Bizarrerweise kann man ja freier sprechen, wenn man außerhalb der Institutionen ist. Als Chefkommissar einer respektablen Institution habe ich sehr oft meine Zunge bewachen müssen. Und ich werde das nicht mehr tun, wenn ich frei sein werde.
]
Das Leidige ist schon dieses Arschlahmige, egal ob auf Behörden, Banken, in Unternehmen usw. Was ich heute nicht mach...mach ich morgen?
Ein Verwandter hat elend Aufträge, ... rennt aber ständig seinem Geld hinter her. Von der Justiz gibt es kaum Support, die Banken bocken
herum...Der Geldfluss läuft nicht sauber.
Er überlegt schon, ob er nicht den Laden zu sperrt und auswandert? Und so denken Zahlreiche im Land, leider...


Strafanzeige gegen Sloweniens Ex-Premier

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Die politische Szene beim südlichen Nachbarn kommt nicht zur Ruhe - Janez Jansa wird im Zusammenhang mit Immo-Geschäften Amtsmissbrauch vorgeworfen.

Ljubljana. Gegen den slowenischen Oppositionsführer und Ex-Premier Janez Jansa liegt laut Medienberichten eine Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs vor. Dabei soll es sich um umstrittene Immobiliengeschäfte von Jansa im Jahr 2005 handeln, als er den Posten des Regierungschefs innehatte, berichtete der private Fernsehsender POP TV am Donnerstagabend.

http://wirtschaftsblatt.at/home/nachric ... ern.portal" onclick="window.open(this.href);return false;
...

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