EU-Parlament besiegelt Swift-Abkommen

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Jul 2010 09 13:53

EU-Parlament besiegelt Swift-Abkommen

Ungelesener Beitrag von arcalis

SPIEGEL.online

Freibrief für die Datensauger aus den USA

Gegen Bedenken von Datenschützern und Bürgerrechtlern hat am Donnerstag das Europaparlament das umstrittene Swift-Abkommen mit den USA besiegelt. Damit erhalten die USA einmal mehr vollen Einblick in die Geldtransaktionen europäischer Bürger in Nicht-EU-Staaten.

(...) Darüber, dass die USA kurz nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 damit begonnen hatten, heimlich alle Geldbewegungen auf Konten europäischer Bankkunden zu beobachten und zu erfassen, hatte es erhebliche Empörung gegeben. Technisch möglich war dies, weil die Server, über die der belgische Finanzdienstleister Swift (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) alle seine Transaktionen abwickelte, in den USA standen. (...)Dann zogen Swifts Server nach Europa, und umgehend folgten Forderungen der USA, ihnen trotzdem weiter Zugang zu den empfindlichen Daten zu gewähren. Begründet wurde und wird das mit den Sicherheitsinteressen der Vereinigten Staaten, namentlich damit, dass es notwendig sei, um Geldflüsse zwischen Terroristen zu erkennen und zu unterbinden.

Europas Parlamentarier verweigerten sich nach dem Umzug der Server nach Europa zumindest dem Vollzugriff. Es ist schwer, sich das vorzustellen, aber es ist nicht unwahrscheinlich, dass Sie heute von einem US-Geheimdienst erfragen könnten, wie Ihr Kontostand am 17. April 2006 war und was Sie an diesem Tag alles per Bankkarte bezahlt haben. Es ist einer der beschämendsten Datenschutz-Skandale der letzten Jahrzehnte, dass so etwas so lange toleriert wurde - und fast noch beschämender, dass es viel zu selten hinreichend deutlich thematisiert wurde. (...)

Seit die Datenflüsse nicht mehr über die USA geroutet werden, haben die EU-Parlamentarier die Möglichkeit des Einspruchs gegen solche Praktiken. Wie der heute von ihnen mit großer Mehrheit verabschiedete Vertrag mit den USA zeigt, haben sie diese Möglichkeiten nur äußerst zaghaft genutzt: Im Rahmen des neuen Swift-Abkommens knüpften sie nun den Zugriff auf alle Daten, die Geldflüsse in die EU hinein und aus ihr heraus betreffen, an datenschutzrechtliche Bedingungen. (...)

Was ermöglicht Swift alles?

Und auch Swift erlaubt trotz der vom EU-Parlament erwirkten Abstriche Unglaubliches: Für eine Speicherdauer von satten fünf Jahren haben die US-Fahnder Zugriff auf den Absender einer Überweisung, den Empfänger, die Kontonummer, die Adresse und die Personalausweis-Nummer des betroffenen EU-Bürgers.

Ins Visier der Terrorfahnder kann potentiell nämlich jeder europäische Bürger geraten. Denn Swift übermittelt an die Amerikaner nicht nur die Daten eines der Unterstützung von Terrorgruppen Verdächtigen, der beispielsweise Geld nach Ägypten transferiert, sondern im Datencluster dann auch Daten aus dessen "Umfeld". Das ist vor allem regional zu verstehen: Gab es weitere Überweisungen aus der Gegend nach Ägypten? Bestimmt, wenn die Gegend Frankfurt am Main heißt. Haben die Fahnder ab da dann alle Ägypten-Überweiser aus Frankfurt vorsorglich im Visier? Aber sicher, und wahrscheinlich sogar alle aus Hessen, denn Swift übermittelt alle Daten in regional definierten Paketen.

Dazu kommt angesichts der fünfjährigen Speicherdauer eine weitere Dimension: In Verdacht geraten könnte man auch wegen finanzieller Kontakte, die man mit jemandem hatte, der erst Jahre danach zum Radikalen oder Verdächtigen wird. Dass die linke EU-Abgeordnete Cornelia Ernst meint, mit dem Abkommen würden "Grundrechte im Namen der Terrorismusbekämpfung ausgehöhlt", lässt sich da schon nachvollziehen. (...)
Datenschutz? Privatsphäre? Ein Armutszeugnis für das Europäische Parlament. 484 Abgeordnete stimmten dafür, 109 dagegen, 12 enthielten sich. Jeder EU-Bewohner wird unter Generalverdacht gestellt. Sobald ich Geld auf ein Konto ausserhalb der EU überweise, wird es registriert und 5 Jahre archiviert. Wenn ich also bei ebay irgend ein Teil in den USA oder Hongkong erwerbe, bin ich mit dabei. Oder in der Schweiz. Aber es ist ja im Abkommen geregelt, dass kein Missbrauch betrieben werden kann - schließlich werden Mitarbeiter von "Swift" direkt vor Ort in den USA die ganze Geschichte überwachen. Na dann kann ja nichts schiefgehen. :mad: Und schließlich darf ich als Bürger bei der nationalen Datenschutzbehörde auch nachfragen, was mit meinen Daten veranstaltet wird. :daumenhoch: Was will man mehr!

Hoffentlich komme ich auch noch zu meiner Anfrage, bevor mich ein Geheimkommando des CIA bei Nacht und Nebel schnappt und ich irgendwo in einem illegalen CIA-Gefängnis rund um den Globus verschwinde. Dabei hatte ich mir bei ebay in den USA nur ein paar Servos für mein ferngesteuertes Flugzeug bestellt - aber die kann man vermutlich auch prima zur Zündung von Autobomben verwenden. Und mein Vorname ist einem im Orient gängigen Männervornamen sehr ähnlich. Tja - Pech gehabt. :keine_ahnung:
:grillen: :stoesschen: :rose: :hofmachen:
Versuchungen sollte man nachgeben.
Wer weiß, ob sie wiederkommen!

Oscar Wilde
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