Autor: unbekannt, stand im Stern 1/2004Kinder von heute werden in Watte gepackt
Wenn du als Kind in den 70er Jahren oder früher lebtest, ist es zurückblickend kaum zu glauben, dass wir so lange überleben konnten.
Wir saßen in Autos ohne Kindersitz, Sicherheitsgurte oder Airbags.
Unsere Bettchen waren angemalt in strahlenden Farben voller Blei und Cadmium.
Die Fläschen aus der Apotheke konnten wir ohne Schwierigkeiten öffnen, genauso wie die Flaschen mit Unkrautmittel.
Auf dem Rad trugen wir nie einen Helm.
Wir tranken aus Wasserhähnen und nicht aus Flaschen.
Wir bauten Seifenkisten und stellten bei der ersten Fahrt den Berg hinab fest, daß wir die Bremsen vergessen hatten. Damit kamen wir nach einigen Fahrten in den Graben klar.
Wir gingen nach der Schule aus dem Haus zum Spielen und mußten erst zu Hause sein, wenn es dunkel wurde. Niemand wußte, wo wir waren und niemand hatte ein Handy dabei.
Wir sind aus Bäumen gestürzt, haben uns geschnitten, brachen uns die Knochen und niemand wurde deswegen verklagt. Es waren Unfälle und unsere eigene Schuld.
Wir prügelten uns und kamen grün und blau nach Hause. Damit mußten wir leben, denn es interessierte die Erwachsenen nicht.
Wir assen Schokolade, Kekse, tranken süßen Sprudel und niemand wurde dick.
Wir tranken mit allen aus einer Flasche und niemand starb an den Folgen.
Keiner brachte uns irgendwo hin oder holte uns ab. Auch im Winter nicht. Man fuhr mit dem Fahrrad oder ging zu Fuss.
Wir hatten nicht: Nitendo, X-box, Playstation, 64 Fernsehkanäle, DVD, Surround Sound, eigene Fernseher und Computer.
Wir hatten Freunde. Wir gingen einfach raus und trafen sie auf der Strasse. Wir gingen zu ihnen ohne Termin oder Wissen unserer Eltern.
Wir spielten mit Stöcken und Bällen, aßen Würmer und Kaulquappen und hatten Fahrtenmesser.
Und die Prophezeiungen traten nicht ein: Die Würmer lebten nicht in unseren Mägen für immer weiter und mit den Stöcken stachen wir uns nicht besonders viele Augen aus. Es ist auch keiner in sein Messer gestürzt und es wurde auch niemand erstochen.
Beim Fußball draussen durfte nur mitspielen, wer gut war. Wer nicht gut war, mußte zusehen und lernen, mit Enttäuschungen klar zukommen.
Manche waren in der Schule nicht so schlau wie die anderen und blieben sitzen. Das führte nicht zu emotionalen Elternabenden oder gar Änderung der Leistungsbewertung.
Unsere Taten hatten manchmal Konsequenzen. Das war klar und man mußte dafür gerade stehen.
Wenn einer gegen das Gesetz verstoßen hatte, war klar, dass die Eltern ihn nicht aus dem Schlamassel raushauen. Im Gegenteil: Sie waren derselben Meinung wie die Polizei.
So was!
Genau so war es. Und heute ist es oft das genaue Gegenteil. Aber das richtig Schöne an der Kindheit war doch oft das, was heute oft verboten wird, weil zu gefährlich, zu ungesund, zu unsozial.
Vielleicht sollten die Eltern von heute wirklich mal drüber nachdenken, dass man den Kindern nicht wirklich hilft, indem man sie mit Sagrotan wäscht, ihnen alles abnimmt, alles leicht macht und ihnen jede Enttäuschung erspart.