Die Fassfrage

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MOMO
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Apr 2010 19 20:24

Die Fassfrage

Ungelesener Beitrag von MOMO

Die Holzfrage: Kleines oder grosses Fass?

Der Captain war auf Kellertour. In Slowenien, Italien und Österreich sah er jede Menge neuer Fässer. Doch es waren keine Barriques. Das kleine Holzgebinde ist nicht mehr angesagt.
Her mit den dicken Dingern! Her mit den dicken Dingern!

Der Captain war auf kleiner Fahrt. Ein paar Stunden Österreich, ein paar Stunden Slowenien und ein paar Stunden Italien. Jetzt ist der Captain wieder in Berlin.

Der Captain ist bei seinen Kurzbesuchen in ein paar Keller gestiegen und hat sich dort die Anlagen angesehen. Kellerbesichtigungen haben einen eigenen Reiz. Für den Captain ist jeder Keller ein Einblick in die Philosophie des Winzers.

Der Captain hat erlebt, dass manche Weinbauern in alten Kellern mit alten Anlagen perfekte Weine keltern. Und solche mit neuen Anlagen oft wenig Interessantes. Es muss eben sauber gearbeitet werden, dann klappt es auch in der Garage. Viele "arme" Winzer (des Captains Entdeckung: Strekov 1075 in der Slowakei) haben das in den letzten zehn Jahren zur Genüge beweisen.

Doch dem Captain ist aufgefallen, dass viele Winzer ihre alten kleinen 225-Liter Barriquefässer (das klassische Eichenholzfass, wie es seit Jahrhunderten z. B. im Bordeaux verwendet wird) dieses Jahr nicht nur durch neue kleine 225-Liter-Barriquefässer ersetzt haben, vielmehr haben sie vielfach größere 300-Liter-, oder 500-Liter-Gebinde (meist ebenfalls aus Eichenholz, mitunter aus Kastanie) gekauft. Und auch 1.200- oder 2.400-Liter-Stehfässer. Das kleine Barriquefass ist auf dem Rückzug. Warum?

1.) Der Konsument hat die fetten Weine satt.

Jahrelang wurden wir von fetten Fruchtbomben belästigt, die noch dazu überbordend lange im Fass lagen. Noch vor fünf Jahren konnte man sich nicht vorstellen, dass der Konsument diesen Weingeschmack irgendwann einmal langweilig finden würde. Doch genau das ist eingetreten.

Selbst einige kalifornische Winzer, wie etwa Michael Mondavi, bauen ihre Premiumweine seit ein paar Monaten nur noch elegant aus und kontern so die langjährige Strategie ihrer Kollegen. "Zu oft", sagte Mondavi dem Captain, "haben die Weinmacher geglaubt, dass Selektion, schonendes Verarbeiten und ein Medium-Plus-Fass eines französischen Herstellers schon reichen würden, einen guten Wein zu machen." Nun, schlechte Weine sind diese Holzbomben sicher nicht. Aber eben auch nicht individuell.

2.) Der Klimawandel verändert das Traubenmaterial.

Der Klimawandel kommt nicht, wie man sich sein Kommen vorstellt. Keine regelmäßige Wiederholung des heißen Sommers von 2003. Keine Regen- und Hagelstürme, die alles vernichten. Aber dafür von allem ein bisschen.

Der Klimawandel macht das Traubenmaterial (vor allem in südlichen Ländern) fetter und alkoholischer. Da wirkt ein kräftig getoastetes Barriquefass wie ein Schnitt durch die Halsschlagader: Es macht dem Wein den Garaus. Und säurearme buttrige Weine sind nicht unbedingt das, was der Konsument will.

Ein gutes Beispiel, wie sich die Weine verändert haben, sind die beiden Chardonnays des italienischen Starwinzers Angelo Gaja. Der "kleine" Rossj-Bass war vor fünf bis sieben Jahren noch ein säurereicher, kräftiger und recht einfach gestrickter, aber elegant gekleideter Kumpan, der zu jedem Essen Vergnügen machte. Das Holz fiel nicht auf. Heute ist der Rossj-Bass ein grober Kerl, der mit Holz protzt, als müsse er eine finnische Sauna in die Landschaft stellen. Dabei hat Gaja den Einsatz neuer Barriques nicht erhöht.

Das gleiche beim teuren Gaia & Rey, dem Vorzeige-Weißwein von Gaja. Vor zehn Jahren noch eine herrliche Alternative zu Burgund und Kalifornien, ist der Gaia & Rey heute ein aufdringlicher Kraftprotz, von dem man gerne ein Glas trinkt. Aber nicht mehr. Zu viel Holz. Soll heißen: Hier hat der Winzer nicht auf die Folgen der Klimaveränderung reagiert.

3.) Die großen Fässer sind billiger

Der Captain trank in Slowenien einen teuren Wein eines bekannten Winzers (Movia), der auffällig leichter und angenehmer schmeckte, als die Jahre zuvor. Grund dafür: Movia verwendet nun gebrauchte Barriques auch ein drittes und viertes Mal. Früher war nach der zweiten Füllung Schluss.

Selbstredend spart die neue Mode den Winzern einiges Geld. Jedes Barrique kostet zwischen 600 und 850 Euro. Die größeren und elegant verarbeitenden 300- und 500-Liter-Fässer (der Captain ist bei seinem eigenen Wein längst auf 300-Liter-Fässer umgestiegen) sind nur geringfügig teurer, als die gewohnten Barriques.

Ein Winzer in Österreich hat dem Captain erzählt, er spare sich nun etwa ein Viertel der Fasskosten ohne auch nur einen Händler oder einen Privatkunden zu verlieren. Und wörtlich: "Wenn dir die Bank draufsteigt, ist so eine Ersparnis der beste Beweis, dass du wirtschaften kannst." Ausserdem, so die Resonanz der Weintrinker, schmecken diese Weine besser. Das ist, was zählt.

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Je mehr Löcher, desto weniger Käse
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