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Slowenische „Ausgelöschten“-Frage nach 22 Jahren weiterhin aktuellVor 22 Jahren hat Slowenien mehr als 25.000 Ex-Jugoslawen widerrechtlich aus seinem Bevölkerungsregister gestrichen. Heuer soll ein Entschädigungsschema ins Leben gerufen werden, das den Betroffenen erstmals eine pauschale Entschädigung gewährt. Allerdings lehnen die „Ausgelöschten“ die von der Regierung ausgearbeiteten Lösungen erneut ab.
Die Mitte-Links-Regierung von Ministerpräsidentin Alenka Bratusek entwickelte ein Entschädigungsschema, das im vergangenen November im Parlament gebilligt wurde. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte 2012 Slowenien dazu verpflichtet, einen Plan zur Entschädigung von rund 25.000 Ex-Jugoslawen, die 1992 widerrechtlich aus dem Bevölkerungsregister gestrichen worden waren, auszuarbeiten. Damals hat der EGMR in einer Klage entschieden, dass Slowenien die Menschenrechte der „Ausgelöschten“ verletzt habe.
Das mit Juni in Kraft tretende Schema sieht pauschale Entschädigungen unter starken Einschränkungen vor: Nicht alle Betroffenen, die aus dem Bevölkerungsregister gestrichen wurden, sind auch zur Entschädigung berechtigt. Das Gesetz engt den Berechtigtenkreis auf jene „Ausgelöschte“ ein, die heute einen geregelten Status in Slowenien haben - sie besitzen entweder eine Aufenthaltsbewilligung oder die slowenische Staatsbürgerschaft. Auch diejenigen, die vor dem Jahr 2010 versuchten ihren Status zu regeln, aber abgelehnt wurden, haben Anspruch auf die Entschädigung. Die Regierung argumentiert, dass die „Ausgelöschten“ nur anhand ihrer vollzogenen oder versuchten Statusregelung das Interesse auf ein Weiterleben in Slowenien bewiesen hätten. Nach diesen Kriterien hätten mit rund 12.000 Personen nur knapp die Hälfte aller Betroffenen Anspruch auf Entschädigungen.
Für jedes Monat, das sie aus dem Bevölkerungsregister gestrichen waren, stehen ihnen laut Gesetz 50 Euro zu. Für jedes Jahr der Tilgung wären das 600 Euro, für einen 20-jährigen Zeitraum würde die Entschädigungssumme maximal 12.000 Euro betragen. Die „Ausgelöschten“, die das umstrittene Gesetz zum Entschädigungsschema vor dem slowenischen Verfassungsgericht anfechten, kritisieren die Höhe der Entschädigung als „skandalös“. Sie sind überzeugt, dass die Regierung mit allen Mitteln versucht, ihren rechtlichen und moralischen Verpflichtung für die Wiedergutmachung auszuweichen. Hingegen ist die Regierung der Meinung, dass das Gesetz eine angemessene Genugtuung einführt.
Mit Spannung wird ein neues Urteil des EGMR erwartet, von dem man sich auch eine Bewertung des Entschädigungsschemas erhofft. Sechs Betroffene, die Slowenien vor dem Straßburger Gericht im Jahr 2012 erfolgreich klagten, fordern laut Medienberichten nun auch eine Entschädigung für den materiellen Schaden. Für den immateriellen Schaden, den sie erlitten haben, wurden ihnen vor zwei Jahren bereits jeweils 20.000 Euro zugesprochen. Es wird erwartet, dass das Gericht in seinem Urteil auch erklären werde, ob es mit dem Entschädigungsschema zufrieden ist.
Nach der Erklärung der Unabhängigkeit Sloweniens von Jugoslawien 1991 hatten die rund 200.000 im Land ansässigen Bürger aus anderen jugoslawischen Teilrepubliken sechs Monate Zeit, für die slowenische Staatsbürgerschaft oder für ein unbefristetes Aufenthaltsrecht zu optieren. Die große Mehrheit machte von dieser Möglichkeit Gebrauch, mehr als 25.000 versäumten diese Frist jedoch. Am 26. Februar 1992 wurden sie ohne Vorwarnung aus dem slowenischen Bevölkerungsregister gelöscht und verloren auf einen Schlag alle Sozialrechte. Viele wurden gezwungen, das Land zu verlassen, oder wurden abgeschoben.
Nach Angaben des slowenischen Friedensinstituts schaffte es bisher nur die Hälfte der „Ausgelöschten“, ihren Status zu regeln. Das slowenische Verfassungsgericht erklärte die Tilgung in zwei Entscheidungen (1999 und 2003) für rechtswidrig und beauftragte die Regierung, die Rechte der Betroffenen rückwirkend wiederherzustellen. Die Behörden blieben bei der Umsetzung jedoch jahrelang säumig. Diese Frage hatte immer wieder großen politischen Wirbel verursacht, konservative Parteien blockierten die Lösungsanläufe.
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